Die Landeshauptstadt München erhebt aufgrund kommunaler Satzung eine
Zweitwohnungsteuer in Höhe von 9 % des jährlichen Mietaufwands. Der
Beschwerdeführer ist Polizeibeamter, der mit Hauptwohnsitz bei seiner
Mutter im bayerischen X. gemeldet ist. Sein Dienstherr verpflichtete
ihn, einen Wohnsitz im Bereich des Münchner Verkehrsverbundes zu
begründen, wo er seit Dezember 1998 eine Nebenwohnung hat. Die Stadt
München setzte im Juni 2007 Zweitwohnungsteuer gegen den
Beschwerdeführer für das Jahr 2006 und die Folgejahre fest.
Der zweite entschiedene Fall betrifft einen Studenten, der seit Juli
2006 in einem Studentenwohnheim an seinem Studienort in Aachen und
zusätzlich noch in seinem ehemaligen Kinderzimmer im Haus seiner Eltern
in der deutschen Stadt Y. wohnt. Im Gebiet der Stadt Aachen gilt eine
Satzung über die Erhebung von Zweitwohnungsteuer in Höhe von 10 % der
Nettokaltmiete.
Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen die Erhebung der Zweitwohnungsteuer
waren in beiden Fällen erfolglos. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer
Verfassungsbeschwerde insbesondere die Verletzung ihrer Grundrechte aus
Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG.
Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Die
maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu den Anforderungen an eine
Zweitwohnungsteuer als örtliche Aufwandsteuer, zu der Reichweite des
Schutzes der Familie sowie zu den Voraussetzungen für die Annahme eines
strukturellen Defizits bei der Steuererhebung hat das
Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt. Unter Zugrundelegung der
bereits entwickelten maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze hat
die 1. Kammer die Erhebung von Zweitwohnungssteuer für „Beamte mit
Residenzpflicht“ (1 BvR 2664/09) und für Studenten in den sog.
„Kinderzimmerfällen“ (1 BvR 529/09) nicht als Verstoß gegen die
Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 11 GG angesehen.
Für die Verfassungsbeschwerde für Beamte mit Residenzpflicht waren
folgende Erwägungen maßgeblich:
Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG
dadurch, dass die Stadt München - wie der Beschwerdeführer behauptet -
nur unzureichend Kontrollen über die Erhebung der Zweitwohnungsteuer
durchführe, kann nicht festgestellt werden. Vollzugsmängel allein, wie
sie immer wieder vorkommen können, führen noch nicht zur
Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm. Ebenso lässt sich kein
strukturelles Erhebungsdefizit bei den Regelungen über die Erhebung der
Zweitwohnungsteuer in der Landeshauptstadt München erkennen.
Beamte, die einer Residenzpflicht unterliegen, werden durch die
Zweitwohnungsteuer nicht gleichheitswidrig gegenüber den
Steuerpflichtigen belastet, für die keine solche Pflicht besteht. Denn
die Aufwandsteuer wird unabhängig von dem Grund und Anlass für den
betriebenen Aufwand erhoben. Belastungsgrund für den steuerbaren Aufwand
ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum
verfassungsrechtlichen Aufwandsbegriff allein der im Konsum bestimmter
Güter zum Ausdruck kommende äußere Eindruck einer besonderen
Leistungsfähigkeit, ohne Rücksicht auf den persönlichen Anlass, den
Grund oder das Motiv für den betriebenen Aufwand.
Der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Bereich der Familie wird durch die
Residenzpflicht des Beschwerdeführers am Ort der Zweitwohnung ebenfalls
nicht verletzt. Anders als in der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 (BVerfGE 114, 316) zur
Zweitwohnungsteuerpflicht von Ehegatten ist das Diskriminierungsverbot
vorliegend nicht betroffen. Dort ging es um die Belastung eines
erwerbsbedingt begründeten weiteren Haushalts eines Ehegatten mit
Zweitwohnungsteuer. Es wurde wegen der Anknüpfung der dortigen
Steuersatzung an Regelungen des Melderechts die von der Familie
vorwiegend benutzte Wohnung automatisch zur Hauptwohnung auch des
erwerbsbedingt zusätzlich auswärts wohnenden Ehegatten bestimmt. Anders
als bei nicht verheirateten Paaren bestand dort keine Möglichkeit, die
Wohnung am Ort der Beschäftigung des Ehegatten als dessen Hauptwohnsitz
zu betrachten und damit der Belastung durch die Zweitwohnungsteuer am
Ort der Beschäftigung zu entgehen. Durch diese Schlechterstellung
verheirateter Personen gegenüber nicht Verheirateten wurde dort das
eheliche Zusammenleben in verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter
Weise belastet.
Eine solche benachteiligende Wirkung der Steuersatzung auf die Familie
liegt hier jedoch nicht vor. Auf den vorwiegend noch bei seiner Mutter
lebenden Beschwerdeführer sind melderechtlich und auch steuerrechtlich
keine anderen Vorschriften über die Bestimmung der Hauptwohnung
beziehungsweise Erstwohnung bei einem Bewohnen mehrerer Wohnungen
anwendbar als für andere Personen, die in mehreren Wohnungen wohnen. Das
durch die Steuersatzung in Bezug genommene Melderecht stellt für
volljährige Kinder diskriminierungsfrei darauf ab, welche Wohnung
vorwiegend benutzt wird.
Die Zweitwohnungsteuer greift auch im Fall der Residenzpflicht des
Steuerpflichtigen am Ort der Zweitwohnung nicht in den grundrechtlich
geschützten Bereich der Familie ein. Sie belastet zwar den Aufwand für
das Innehaben einer nicht vorwiegend benutzten Wohnung eines
erwerbsbedingt und wegen einer beamtenrechtlichen Residenzpflicht
auswärts tätigen Kindes, das vorwiegend in einer Erstwohnung bei
Familienangehörigen wohnt. Diese Besteuerung des für die Zweitwohnung
getätigten Aufwands trifft aber weder typischerweise noch sonst in
besonderer Weise Familien, sondern in grundsätzlich gleicher Weise alle
Personen, die mehrere Wohnsitze innehaben, gleich aus welchem Grund sie
den Zweitwohnsitz wählen. Die Zweitwohnungsteuer entfaltet auch keinen
direkten Einfluss auf die Entscheidung der Familie über die Gestaltung
ihres Zusammenlebens, sondern vermag lediglich mittelbar durch die
zusätzliche finanzielle Belastung für das Innehaben eines auswärtigen
Wohnsitzes auf die Entscheidung der Familienmitglieder über ihr
Wohnverhalten Einfluss zu nehmen.
Für die Kinderzimmerfälle sind folgende Erwägungen maßgeblich:
Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.
Die Belastung des Beschwerdeführers mit der Zweitwohnungsteuer stellt in
den sog. Kinderzimmerfällen ebenfalls keine ungerechtfertigte
Ungleichbehandlung dar. Nach mittlerweile ganz überwiegender Auffassung,
die insbesondere von der neueren Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts und wohl auch des Bundesfinanzhofs getragen
wird, setzt eine Aufwandsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung
nicht voraus, dass auch eine rechtlich gesicherte Verfügungsmacht über
die Erstwohnung gegeben ist. Diese Auffassung begegnet keinen
durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken und steht auf dem Boden
der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die in der
Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit wird auch
dann erfasst, wenn eine Zweitwohnungsteuer so ausgestaltet ist, dass
darauf verzichtet wird, von einem Steuerpflichtigen neben dem
tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsrecht an der Zweitwohnung ein
solches Recht auch an der von ihm bewohnten Erstwohnung zu fordern. So
kann der Zweitwohnungsteuer von Verfassungs wegen auch unterfallen, wer
in seiner Erstwohnung als reiner Besitzdiener ohne eigenen Mitbesitz
wohnt, wie dies im Fall der Nutzung des Kinderzimmers durch einen
Studenten der Fall sein kann. Die Aufwandsteuer hat den Konsum in Form
eines äußerlich erkennbaren Zustandes zum Gegenstand. Hierfür ist allein
der in der Zweitwohnungsnutzung zum Ausdruck kommende Aufwand
maßgeblich, einschließlich des Umstands, dass es sich überhaupt um eine
Zweitwohnung handelt.
Eine Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers gegenüber Personen, die im
Ausland eine Hauptwohnung innehaben und in der Stadt Aachen nur deshalb
nicht mit einer Nebenwohnung registriert sind und damit nicht der
Zweitwohnungsteuer unterliegen, weil ein alleiniger Wohnsitz in
Deutschland melderechtlich keinen Nebenwohnsitz darstellen kann (vgl. §
16 Abs. 1 MeldeG-NRW, der auf mehrere Wohnungen im Inland abstellt), ist
wegen der besonderen Situation der im Ausland belegenen anderen Wohnung
gerechtfertigt.
Der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Bereich der Familie wird nicht
verletzt. Der vorliegende Fall ist ebenso wie der zur Residenzpflicht
von Beamten nicht mit dem oben dargestellten bereits entschiedenen Fall
des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 (BVerfGE 114, 316) zu
berufstätigen Ehegatten vergleichbar.
Die Zweitwohnungsteuer greift in den sog. Kinderzimmerfällen auch nicht
in den grundrechtlichen Schutz der Familie ein. Der Aufwand für das
Innehaben einer nicht vorwiegend benutzten Wohnung eines in Ausbildung
befindlichen Kindes, das überwiegend in der elterlichen Erstwohnung
wohnt, belastet weder gezielt noch typischerweise das Zusammenleben in
der Familie. Schließlich führt auch die Höhe der Zweitwohnungsteuer von
10 % der Kaltmiete nicht zu einer derart einschneidenden Belastung, dass
hierdurch ein gravierender finanzieller Druck auf die Aufgabe des
vorwiegenden Aufenthalts des Studenten bei den Eltern zugunsten eines
vorwiegenden Aufenthalts in der Wohnung am Studienort ausgeübt würde.
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