Die Beschwerdeführerin leitet als Obergesellschaft einen Konzern
international tätiger Unternehmen für Milch- und Molkereiprodukte. Diese
verarbeiten in ihren Produkten Milch von Kühen, die auch gentechnisch
veränderte Futtermittel erhalten haben. Der Beklagte des
Ausgangsverfahrens ist ein Verein, der sich u. a. zum Ziel gesetzt hat,
die Verbraucher über seiner Ansicht nach bestehende Risiken infolge des
Einsatzes gentechnisch veränderter Organismen bei der
Lebensmittelerzeugung aufzuklären. Deshalb forderte er die
Beschwerdeführerin auf, ihren Milchlieferanten zur Auflage zu machen,
auf gentechnisch veränderte Futtermittel zu verzichten. Nachdem die
Beschwerdeführerin dieser Forderung nicht nachgekommen war, bezeichnete
der Beklagte die von der Klägerin vertriebene Milch in verschiedenen
öffentlichen Aktionen als „Gen-Milch“, um so auf sein Anliegen
aufmerksam zu machen.
Die Beschwerdeführerin sieht in der Formulierung „Gen-Milch“ in Bezug
auf ihre Erzeugnisse die unwahre Tatsachenbehauptung, dass die von ihren
Unternehmen verarbeitete Milch ihrerseits gentechnisch behandelt sei,
und nahm den Beklagten vor den Zivilgerichten auf Unterlassung in
Anspruch. Der Bundesgerichtshof wies ihr Unterlassungsbegehren zurück.
Der Gebrauch des Begriffs „Gen-Milch“ durch den Beklagten genieße den
Schutz des Grundrechts auf Meinungsfreiheit, dem bei der gebotenen
Abwägung der Vorrang gegenüber den ebenfalls grundrechtlich geschützten
Interessen der Beschwerdeführerin zukomme. Der Begriff „Gen-Milch“ sei
für sich genommen substanzarm. Sein Bedeutungsgehalt ergebe sich erst
aus dem Kontext, in dem er geäußert worden sei. Danach enthalte die
beanstandete Formulierung keine unwahre Tatsachenbehauptung, denn der
Beklagte habe unzweideutig bei allen Aktionen zum Ausdruck gebracht,
dass sich sein Protest gegen die Verwendung von gentechnisch veränderten
Futtermitteln richte. Auf den Vorwurf, die von den Unternehmen der
Beschwerdeführerin verwendete Milch selbst sei gentechnisch verändert,
könne nicht geschlossen werden. Mit ihrer dagegen erhobenen
Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin neben einer Verletzung
ihrer Berufsfreiheit eine verfassungswidrige Beeinträchtigung ihres
allgemeinen Persönlichkeitsrechts und ihres Rechts am eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb.
Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die
Annahmevoraussetzungen nicht vorliegen, sie insbesondere keine Aussicht
auf Erfolg hat.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Das angegriffene Urteil begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Insbesondere durfte der Bundesgerichtshof den auf die Produkte der
Beschwerdeführerin bezogenen Begriff „Gen-Milch“ als substanzarme
Äußerung ansehen und seine Verwendung im konkreten Kontext als zulässig
beurteilen. Zwar kann einem Unterlassungsbegehren stattzugeben sein,
wenn die fragliche Tatsachenbehauptung einen mehrdeutigen Gehalt
aufweist und in einer der nicht fern liegenden Deutungsvarianten das
allgemeine Persönlichkeitsrecht des von ihr Betroffenen verletzt. Es
bedarf hierzu aber zunächst der sorgfältigen Auslegung, ob eine solche
Mehrdeutigkeit tatsächlich vorliegt. Dem Unterlassungsbegehren ist
demgegenüber unter diesem Gesichtspunkt nicht bei schlagwortartigen
Äußerungen statt zu geben, die auch für die Erklärungsempfänger von
vorneherein vieldeutig erscheinen, so dass sie nicht als eigenständige
Behauptung eines bestimmten Sachverhalts verstanden werden, sondern als
Kurzformel, die erst aus einem weiteren Kontext näheren Inhalt bekommt.
In einem solchen Fall fehlt es an einer konkreten Tatsachenbehauptung,
die beim Empfänger der Äußerung zu Fehlvorstellungen aufgrund falscher
Sachaussagen führen könnte. Dass der Bundesgerichtshof den hier
streitgegenständlichen Begriff „Gen-Milch“ in diesem Sinn als erkennbar
ergänzungsbedürftige, schlagwortartige Äußerung, die ihren genauen Sinn
erst im Rahmen einer Gesamtkampagne erhält, beurteilt hat, überschreitet
seinen fachgerichtlichen Wertungsrahmen nicht.
Vor diesem Hintergrund durfte der Bundesgerichtshof dem durch die
Meinungsfreiheit geschützten Äußerungsinteresse der Beklagten den
Vorrang vor dem entgegenstehenden Unterlassungsinteresse der
Beschwerdeführerin einräumen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob außer
dem Grundrecht der Berufsfreiheit auch die weiteren von der
Beschwerdeführerin geltend gemachten Rechtspositionen grundrechtlichen
Schutz genießen, da das Abwägungsergebnis des Bundesgerichtshofs in
jedem Fall verfassungsrechtlich vertretbar ist. Der Bundesgerichtshof
durfte bei seiner Abwägung zwischen den beiderseits betroffenen
rechtlich geschützten Interessen maßgeblich darauf abstellen, dass die
Unternehmen der Beschwerdeführerin jedenfalls nicht im gesamten
Produktionsprozess auf gentechnische Verfahren verzichten und somit die
Kritik an ihrem Geschäftsgebaren nicht jeglicher zutreffender
Tatsachengrundlage entbehrt. Hinzu kommt, dass nach den unangegriffenen
fachgerichtlichen Feststellungen dieser Bezug lediglich auf die
Verwendung von gentechnisch veränderten Futtermitteln in sämtlichen
Fällen, in denen der Beklagte den Begriff „Gen-Milch“ verwendete, aus
dem Äußerungskontext deutlich wurde.
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