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Pressemitteilung Nr. 13.06.2008 vom 13. Juni 2008


Zweigeteilter Rechtsschutz in Vergabeverfahren beim Brandenburgischen Oberlandesgericht

Aufgrund europarechtlicher Vorgaben hat der deutsche Gesetzgeber am 1.1.1999 ein neues Rechtsschutzsystem in Gestalt des "Vergabenachprüfungsverfahrens" geschaffen. Muss ein Bieter befürchten, bei der Vergabe eines Auftrags der öffentlichen Hand übergangen zu werden, kann er sich anders als in der Vergangenheit in diesem Verfahren gegen die drohende Nichtberücksichtigung seines Angebots zur Wehr setzen. Er kann eine Überprüfung des Vergabeverfahrens und der Vergabeentscheidung auf mögliche Verstöße gegen die für die Vergabe maßgeblichen Vorschriften herbeiführen und allein durch die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens den angekündigten Zuschlag an einen anderen Bieter einstweilen verhindern.

Allerdings ist das Nachprüfungsverfahren, in dem in Brandenburg in erster Instanz die beim Wirtschaftsministerium angesiedelte Vergabekammer und in zweiter Instanz der Vergabesenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts entscheidet, nur bei Aufträgen eröffnet, die ein bestimmtes Auftragsvolumen erreichen. So liegt der Schwellenwert, bei dessen Überschreitung das Nachprüfungsverfahren zulässig ist, für Bauaufträge bei 5.150.000 € netto (vor dem 1.1.2008 bei 5.278.000 € netto), für Dienstleistungsaufträge bei 206.000 € netto (vor dem 1.1.2008 bei 211.000 € netto). Wird der Schwellenwert nicht erreicht, kann der Bieter mit einem Nachprüfungsantrag das Vergabeverfahren bis zur Klärung seiner Vorwürfe nicht einstweilen anhalten.

Fraglich ist, auf welche Weise er in diesen Fällen gegen Vergabefehler des Auftraggebers vorgehen kann.

Unter Fachleuten wird diskutiert, ob der Bieter seine Interessen dadurch schützen kann, dass er dem Auftraggeber durch eine von den Zivilgerichten erlassene einstweilige Verfügung den Zuschlag untersagen lässt. Der Weg dorthin ist jedoch außerordentlich dornig. Es macht nahezu unüberwindliche Schwierigkeiten, darzulegen und glaubhaft zu machen, dass der Auftraggeber mit dem Zuschlag einen aussichtsreichen Bieter vorsätzlich in sittenwidriger Weise zu schädigen beabsichtigt. Einen allgemeinen Anspruch auf Unterlassung des Zuschlags für den Fall, dass Vergabefehler behauptet und glaubhaft gemacht werden, sieht die Rechtsordnung dagegen nicht vor.

Mehrere Versuche, im Wege einer bei den Zivilgerichten erwirkten einstweiligen Verfügung dem öffentlichen Auftraggeber den Zuschlag bis zur Klärung ihrer Vorwürfe verbieten zu lassen, haben deshalb auch, - soweit das Brandenburgischen Oberlandesgericht mit ihnen befasst worden ist - in keinem Fall zum Erfolg geführt.

- Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 17.12.2007 (13 W 79/07) eine den Erlass einer einstweiligen Verfügung ablehnende Entscheidung des Landgerichts Potsdam (2 O 412/07) bestätigt. Dort hatte der Auftraggeber die Ausschreibung aufheben wollen, weil seiner Auffassung nach alle eingegangenen Angebote zu teuer waren. Dagegen wandte sich der preisgünstigste Bieter ohne Erfolg; das Oberlandesgericht sah die Aufhebung der Ausschreibung als rechtmäßig an.

- In einem anderen Fall hat das Brandenburgische Oberlandesgericht eine vom Landgericht Cottbus am 24.10.2007 erlassene einstweilige Verfügung (5 O 99/07) für zu Unrecht ergangen angesehen. Es hat in dem vom Auftraggeber eingeleiteten Berufungsverfahren den Antragsteller darauf hingewiesen, dass sein Antrag unberechtigt sei, weil er sich an dem Vergabeverfahren, bei dem er den Zuschlag verhindern wolle, überhaupt nicht mit einem Angebot beteiligt habe. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde daraufhin zurückgenommen (11 U 186/07).

- Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat mit einstweiliger Verfügung einem Auftraggeber die Fortsetzung eines Ausschreibungsverfahrens untersagt (13 O 360/07). In dem vom Auftraggeber eingeleiteten Berufungsverfahren hatte das Brandenburgische Oberlandesgericht, weil inzwischen Erledigung des Streits eingetreten war, nur noch über die Kosten des Verfügungsverfahrens zu entscheiden. Diese hat es mit Beschluss vom 29.5.2008 (12 U 235/07) dem Bieter auferlegt. Denn die von ihm erwirkte einstweilige Verfügung sei zu Unrecht erlassen worden, weil nicht ersichtlich sei, dass er bei ordnungsgemäßem Verfahren den Zuschlag hätte erhalten müssen.

Brandenburg, den 13. Juni 2008


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