Aufgrund europarechtlicher Vorgaben hat der deutsche Gesetzgeber am 1.1.1999
ein neues Rechtsschutzsystem in Gestalt des "Vergabenachprüfungsverfahrens"
geschaffen. Muss ein Bieter befürchten, bei der Vergabe eines Auftrags der öffentlichen
Hand übergangen zu werden, kann er sich anders als in der Vergangenheit in
diesem Verfahren gegen die drohende Nichtberücksichtigung seines Angebots zur
Wehr setzen. Er kann eine Überprüfung des Vergabeverfahrens und der Vergabeentscheidung
auf mögliche Verstöße gegen die für die Vergabe maßgeblichen Vorschriften
herbeiführen und allein durch die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens
den angekündigten Zuschlag an einen anderen Bieter einstweilen verhindern.
Allerdings ist das Nachprüfungsverfahren, in dem in Brandenburg in erster Instanz
die beim Wirtschaftsministerium angesiedelte Vergabekammer und in zweiter Instanz
der Vergabesenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts entscheidet,
nur bei Aufträgen eröffnet, die ein bestimmtes Auftragsvolumen erreichen. So liegt
der Schwellenwert, bei dessen Überschreitung das Nachprüfungsverfahren zulässig
ist, für Bauaufträge bei 5.150.000 € netto (vor dem 1.1.2008 bei 5.278.000 € netto),
für Dienstleistungsaufträge bei 206.000 € netto (vor dem 1.1.2008 bei 211.000 € netto).
Wird der Schwellenwert nicht erreicht, kann der Bieter mit einem Nachprüfungsantrag
das Vergabeverfahren bis zur Klärung seiner Vorwürfe nicht einstweilen anhalten.
Fraglich ist, auf welche Weise er in diesen Fällen gegen Vergabefehler des Auftraggebers
vorgehen kann.
Unter Fachleuten wird diskutiert, ob der Bieter seine Interessen dadurch schützen
kann, dass er dem Auftraggeber durch eine von den Zivilgerichten erlassene einstweilige
Verfügung den Zuschlag untersagen lässt. Der Weg dorthin ist jedoch außerordentlich
dornig. Es macht nahezu unüberwindliche Schwierigkeiten, darzulegen
und glaubhaft zu machen, dass der Auftraggeber mit dem Zuschlag einen aussichtsreichen
Bieter vorsätzlich in sittenwidriger Weise zu schädigen beabsichtigt. Einen
allgemeinen Anspruch auf Unterlassung des Zuschlags für den Fall, dass Vergabefehler
behauptet und glaubhaft gemacht werden, sieht die Rechtsordnung dagegen
nicht vor.
Mehrere Versuche, im Wege einer bei den Zivilgerichten erwirkten einstweiligen Verfügung
dem öffentlichen Auftraggeber den Zuschlag bis zur Klärung ihrer Vorwürfe verbieten zu lassen, haben deshalb auch, - soweit das Brandenburgischen Oberlandesgericht
mit ihnen befasst worden ist - in keinem Fall zum Erfolg geführt.
- Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 17.12.2007 (13
W 79/07) eine den Erlass einer einstweiligen Verfügung ablehnende Entscheidung
des Landgerichts Potsdam (2 O 412/07) bestätigt. Dort hatte der Auftraggeber die
Ausschreibung aufheben wollen, weil seiner Auffassung nach alle eingegangenen
Angebote zu teuer waren. Dagegen wandte sich der preisgünstigste Bieter ohne Erfolg;
das Oberlandesgericht sah die Aufhebung der Ausschreibung als rechtmäßig
an.
- In einem anderen Fall hat das Brandenburgische Oberlandesgericht eine vom
Landgericht Cottbus am 24.10.2007 erlassene einstweilige Verfügung (5 O 99/07) für
zu Unrecht ergangen angesehen. Es hat in dem vom Auftraggeber eingeleiteten Berufungsverfahren
den Antragsteller darauf hingewiesen, dass sein Antrag unberechtigt
sei, weil er sich an dem Vergabeverfahren, bei dem er den Zuschlag verhindern
wolle, überhaupt nicht mit einem Angebot beteiligt habe. Der Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung wurde daraufhin zurückgenommen (11 U 186/07).
- Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat mit einstweiliger Verfügung einem Auftraggeber
die Fortsetzung eines Ausschreibungsverfahrens untersagt (13 O 360/07). In
dem vom Auftraggeber eingeleiteten Berufungsverfahren hatte das Brandenburgische
Oberlandesgericht, weil inzwischen Erledigung des Streits eingetreten war, nur
noch über die Kosten des Verfügungsverfahrens zu entscheiden. Diese hat es mit
Beschluss vom 29.5.2008 (12 U 235/07) dem Bieter auferlegt. Denn die von ihm erwirkte
einstweilige Verfügung sei zu Unrecht erlassen worden, weil nicht ersichtlich
sei, dass er bei ordnungsgemäßem Verfahren den Zuschlag hätte erhalten müssen.
Brandenburg, den 13. Juni 2008
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