Das Deutsche Reich hatte von den Ländern und Gemeinden Grundstücke
unentgeltlich oder zu einem symbolischen Preis übernommen, um diese
militärisch zu nutzen. Mit Inkrafttreten des Grundgesetzes wurde das
gesamte Reichsvermögen Bundesvermögen (Art. 134 Abs. 1 GG). Art. 134
Abs. 3 GG hingegen bestimmt, dass Vermögen, das dem Reich von den
Ländern und Gemeinden unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde,
wiederum Vermögen der Länder und Gemeinden wird, soweit es nicht der
Bund für eigene Verwaltungsaufgaben benötigt. Das Reichsvermögen-Gesetz
von 1961 (RVermG) regelt in § 5 die Einzelheiten des Umgangs mit diesem
sog. Rückfallvermögen. Danach ist die Rückübertragung auf den
ursprünglichen Eigentümer als Grundsatz, die Berücksichtigung von
Bundesbedarf dagegen als Ausnahme vorgesehen. Für die Geltendmachung
des Rückfallrechts durch das Land oder die Gemeinde ist eine
Ausschlussfrist von einem Jahr nach Inkrafttreten des
Reichsvermögen-Gesetzes festgelegt. Der Gesetzgeber hat eine
Berlin-Klausel eingefügt, wonach das Reichsvermögen-Gesetz auch nach
Berlin übernommen werden sollte. Die Regelung des § 5 RVermG sollte
jedoch in Berlin (West) nicht gelten; insoweit blieb in § 19 Abs. 1
RVermG eine besondere Regelung vorbehalten. Bei Erlass des Gesetzes war
noch nicht absehbar, dass das Reichsvermögen-Gesetz nicht nach Berlin
(West) übernommen werden konnte, weil die Alliierte Kommandantur in
Berlin hiergegen Einspruch erhob. Geltung erlangte das
Reichsvermögen-Gesetz im vormaligen Westteil des Landes Berlin erst
nach Wegfall der alliierten Vorbehaltsrechte aufgrund des am 3. Oktober
1990 in Kraft getretenen Sechsten Überleitungsgesetzes.
Das Land Berlin beansprucht als Rückfallvermögen in Berlin (West)
gelegene Grundstücke mit einer Gesamtfläche von ungefähr 6,8 Mio. qm im
Gesamtwert von 226 Mio. Euro, darunter Flächen der Flughäfen Tegel und
Tempelhof, sowie 52 Mio. Euro, die der Bund aus dem Verkauf von
Rückfallvermögen erzielt habe. Der Bund ist der Ansicht, die Ansprüche
Berlins seien erloschen, da die Jahresfrist zur Geltendmachung der
Rückfallansprüche abgelaufen sei.
Der Normenkontrollantrag des Senats von Berlin, mit dem die
Feststellung begehrt wurde, dass der Gesetzgeber für den vormaligen
Westteil des Landes Berlin eine Rückfallregelung bislang nicht in Kraft
gesetzt hat, hatte keinen Erfolg. Der Zweite Senat des
Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass mit dem Sechsten
Überleitungsgesetz das gesamte Reichsvermögen-Gesetz unter Einschluss
der Rückfallregelung des § 5 RVermG nach Berlin (West) übergeleitet
worden und seit dem 3. Oktober 1990 in Berlin (West) anwendbar ist. § 5
RVermG ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
I. Durch das Sechste Überleitungsgesetz ist das Reichsvermögen-Gesetz
am 3. Oktober 1990 nach Berlin (West) übergeleitet worden. Damit
ist zugleich die Rückfallregelung des § 5 RVermG in Berlin in Kraft
gesetzt worden. Es bedurfte hierzu keiner spezifizierten
Gesetzgebung im Hinblick auf den Berlin-Vorbehalt in § 19 Abs. 1
RVermG.
Der Gesetzgeber hat bei Erlass des Reichsvermögen-Gesetzes zum
Ausdruck gebracht, dass ein Rückfallverfahren in Berlin erst dann
ermöglicht werden soll, wenn der Bundesbedarf am Rückfallvermögen
überschaubar und entscheidbar ist. Da dies Anfang der sechziger
Jahre nicht der Fall war, hätte das Rückfallverfahren, so wie es in
§ 5 RVermG vorgesehen ist, nicht sinnvoll durchgeführt werden
können. Dem Gesetzgeber ging es mit der Formulierung des
Berlin-Vorbehalts in § 19 Abs. 1 RVermG allein um eine zeitlich
begrenzte Suspendierung von § 5 RVermG. Es bestehen hingegen keine
Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber für das
Rückfallverfahren in Berlin (West) an eine inhaltlich von § 5
RVermG abweichende Regelung gedacht haben könnte.
Der Aufschub der Zuordnung des Rückfallvermögens in Berlin (West)
findet seinen weiteren Grund in den besonderen rechtlichen
Verhältnissen, die in den Westsektoren Berlins herrschten. Die drei
westlichen Besatzungsmächte hatten mit der Genehmigung des
Grundgesetzes ihre Vorbehaltsrechte festgelegt. Zu den erklärten
Vorbehalten gehörte, dass Berlin nicht vom Bund regiert wird. Eine
unmittelbare organisatorische Einbeziehung Berlins in die
Bundesrepublik Deutschland sollte mit Rücksicht auf die
fortdauernde internationale Spannung vorerst aufgeschoben werden.
Vor diesem Hintergrund war die Vermögenszuordnung nach Art. 134
Abs. 3 GG in erhöhtem Maße der Gefahr einer Ablehnung seitens der
Alliierten ausgesetzt. Das Rückfallverfahren schließt die
Möglichkeit ein, dass der Bund Vermögensgegenstände für sich
beansprucht, die er für eigene Verwaltungsaufgaben benötigt. In
derartigen Vorgängen konnte die Ausübung von Regierungsgewalt
gesehen werden, die dem Bund in Berlin nicht zustand. § 19 RVermG
schließt diesbezügliche Konflikte aus und ist daher auch als
Maßnahme des Gesetzgebers zu verstehen, die Zustimmung der
westlichen Alliierten zum Reichsvermögen-Gesetz im Übrigen
sicherzustellen.
II. Gegen § 5 RVermG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Der Gesetzgeber hatte insbesondere keinen Anlass, die
Voraussetzungen eines Vermögensrückfalls für den vormaligen
Westteil Berlins anders als im übrigen Bundesgebiet auszugestalten.
Mit dem Sechsten Überleitungsgesetz wurde insoweit die rechtliche
Gleichstellung Berlins bewirkt. Es bestehen auch keine
verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in § 5 RVermG geregelten
Ausschlussfristen. Durch die Jahresfrist für die Geltendmachung des
Rückfallrechts wird sichergestellt, dass die Rechtsverhältnisse in
überschaubarer Zeit geklärt werden und nicht viele Jahre in der
Schwebe bleiben. Nach dem Wortlaut von § 5 RVermG beginnt die
Jahresfrist mit Inkrafttreten dieses Gesetzes. Entsprechend der
Absicht des Gesetzgebers, das Land Berlin rechtlich mit dem übrigen
Bundesgebiet gleichzustellen, ist die Ausschlussfrist dahin zu
verstehen, dass sie sich in Berlin (West) auf den Zeitpunkt der
dortigen Inkraftsetzung der Norm am 3. Oktober 1990 bezieht.
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