Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes erhalten auf Grund von
Versorgungs-Tarifverträgen eine Zusatzversorgungsrente, mit der die
Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgestockt wird. Dem
System der Zusatzversorgung der Versorgungsanstalt des Bundes und der
Länder lag bis zum 31. Dezember 2000 das Gesamtversorgungsprinzip
zugrunde. Danach sollte dem Versicherten ein bestimmtes
Gesamtversorgungsniveau gewährt werden, das sich an der
Beamtenversorgung orientierte. Bei der Berechnung der
gesamtversorgungsfähigen Zeit wurde die Zeit der Beschäftigung im
öffentlichen Dienst voll berücksichtigt. Einbezogen wurden auch die
Beitragszeiten und beitragsfreien Zeiten der gesetzlichen
Rentenversicherung, denen keine Beschäftigung im öffentlichen Dienst
zugrunde lag (Vordienstzeiten). Diese wurden aber nur zur Hälfte als
gesamtversorgungsfähige Zeit gutgeschrieben, während die damals
erworbenen Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung in vollem
Umfang auf die Gesamtversorgung angerechnet wurden.
In seiner "Halbanrechnungsentscheidung" vom 22. März 2000 hat das
Bundesverfassungsgericht in der Halbanrechnung derartiger
Vordienstzeiten bei voller Berücksichtigung der gesetzlichen Rente
einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz gesehen, der nicht länger als
bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne.
In der Folgezeit wurde das Gesamtversorgungssystem zum 31. Dezember
2000 geschlossen und durch ein Versorgungspunktemodell ersetzt. Für
Bestandsrentner, d. h. für solche Versicherte, die bis zum 1. Januar
2002 versorgungsberechtigt geworden sind, sehen die Regelungen jedoch
vor, dass die bisher gegebenenfalls unter Anwendung des
Halbanrechnungsgrundsatzes errechneten Beträge weitergezahlt werden.
Für den betreffenden Personenkreis findet keine Neuberechnung unter
Nichtanwendung des Halbanrechnungsgrundsatzes statt.
Der Beschwerdeführer bezieht seit dem 1. November 2000 eine
Zusatzversorgungsrente, die unter Berücksichtigung des
Halbanrechnungsgrundsatzes berechnet worden ist. Er klagte vor den
Zivilgerichten auf Feststellung, dass vom 1. Januar 2001 an seine
Rentenversicherungszeiten, auch soweit sie nicht im öffentlichen Dienst
zurückgelegt worden sind, bei der Errechnung seiner Rente voll
einzubeziehen seien. Seine Klage blieb ohne Erfolg. Der
Bundesgerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass die Anwendung des
Halbanrechnungsgrundsatzes bei der Berechnung der Versorgungsrente für
solche Versicherte, die - wie der Beschwerdeführer - bis zum 31.
Dezember 2000 versorgungsberechtigt geworden seien, nicht gegen den
Gleichheitssatz verstoße.
Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung
angenommen. Die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Bewertung steht
nicht im Widerspruch zur Halbanrechnungsentscheidung des
Bundesverfassungsgerichts. Auch ansonsten ist die Entscheidung der
Tarifvertragsparteien, für den vor dem 2. Januar 2002 in Rente
gegangenen Personenkreis die Rente gegebenenfalls unter Anwendung der
Halbanrechnungsregelung zu berechnen, verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden.
Dem Nichtannahmebeschluss liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu
Grunde:
1. Der Bundesgerichtshof hat zutreffend angenommen, dass das
Bundesverfassungsgericht in der Halbanrechnungsentscheidung nicht
gemeint hat, dass für alle Rentner, insbesondere auch für diejenigen
mit einem vor dem 1. Januar 2001 liegenden Rentenbeginn, die Rente
ab dem 1. Januar 2001 nicht mehr von der Halbanrechnung beeinflusst
sein dürfe. Die Bewertung des Bundesverfassungsgerichts in der
Halbanrechnungsentscheidung stützt sich vielmehr auf eine Vielzahl
von Aspekten, die sich nicht gleichzeitig und schlagartig auswirken.
Vor diesem Hintergrund ist es mit der Halbanrechnungsentscheidung
des Bundesverfassungsgerichts vereinbar, den Ablauf des Jahres 2000
als den Zeitpunkt für den Beginn der erforderlichen Systemumstellung
zu verstehen, nicht aber als einen Zeitpunkt, ab dem keine Rente
mehr von der Halbanrechnung beeinflusst sein dürfte.
2. Die Billigung der Entscheidung der Tarifvertragsparteien durch den
Bundesgerichtshof, für Bestandsrentner die Rente gegebenenfalls
unter Anwendung der Halbanrechnungsregelung zu berechnen, ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Übergangsregelung erging im Gefolge des Entschlusses, das 1967
eingeführte, an der Beamtenversorgung orientierte
Gesamtversorgungssystem aufzugeben. Die Tarifvertragsparteien
wollten nicht nur vor dem Hintergrund eines Wandels der typischen
Erwerbsbiographie, sondern auch vor dem Hintergrund einer ständig
abnehmenden Attraktivität der Beamtenversorgung den Wert der
Annäherung der Versorgung der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes
an die Beamtenversorgung nicht mehr höher veranschlagen als das
Interesse an einer Proportionalität zwischen im öffentlichen Dienst
erbrachter Arbeitsleistung und im öffentlichen Dienst bezogener
Altersversorgung. Insoweit haben die Tarifvertragsparteien neue
Bewertungen vorgenommen, in die gewandelte gesellschaftliche
Vorstellungen eingeflossen sind. Die Tarifvertragsparteien durften
einen solchen Anschauungswandel nicht nur aufgreifen, sondern
durften im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums grundsätzlich auch
den Zeitpunkt ihrer Reaktion festlegen. Die Entscheidung der
Tarifvertragsparteien, für den vor dem 2. Januar 2002 in Rente
gegangenen Personenkreis von einer nach den bisherigen Regeln
berechneten Rente auszugehen, ist überdies von der Notwendigkeit
mitgeprägt, eine Massenerscheinung zu ordnen. Deswegen durfte hier
auch eine generalisierende, typisierende und pauschalisierende
Regelung getroffen werden. Dass mit der von den
Tarifvertragsparteien konzipierten Regelung in Einzelfällen Härten
verbunden sein können, steht deshalb ihrer Rechtfertigung nicht
entgegen.
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