§ 13 Abs. 1 Nr. 18 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz verletzt
das Recht auf Chancengleichheit, soweit Zuwendungen an politische
Parteien steuerfrei gestellt sind, Zuwendungen an kommunale
Wählervereinigungen und ihre Dachverbände dagegen nicht. Die
Differenzierung ist nicht durch verfassungsrechtlich tragfähige Gründe
gerechtfertigt. Trotz Unvereinbarkeit des § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG mit
dem Grundgesetz ist es aber ausnahmsweise geboten, bis zu einer
Neuregelung durch den Gesetzgeber die weitere Anwendbarkeit der Norm
anzuordnen und die Steuerbefreiung auf kommunale Wählervereinigungen
und ihre Dachverbände auszudehnen. Dies entschied der Zweite Senat des
Bundesverfassungsgerichts auf eine Vorlage des Hessischen
Finanzgerichts. Die Entscheidung war zugleich Anlass, die
Zulässigkeitsanforderungen von Richtervorlagen bei Steuerbefreiungen,
Steuerentlastungen oder sonstige steuerliche Begünstigungen zu klären.
Dem Vorlagebeschluss des Finanzgerichts lag der Fall einer kommunalen
Wählergemeinschaft zugrunde, die sich dagegen gewandt hatte, für den
Erhalt einer Spende über 5.000 DM Schenkungsteuer von 400 DM zu
entrichten.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
I. § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG ist für den Rechtsstreit vor dem
Hessischen Finanzgericht entscheidungserheblich; denn für dessen
Ausgang kommt es auf die Gültigkeit dieser Norm an.
Holt ein Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
nach Art. 100 Abs. 1 GG ein, weil es von der Verfassungswidrigkeit
einer Steuerrechtsnorm überzeugt ist, die nur bestimmte Personen
oder Gruppen begünstigt, ist von der Entscheidungserheblichkeit
der Norm für das Ausgangsverfahren auszugehen, solange der
Gesetzgeber nicht aus Rechtsgründen oder aus offenkundigen
tatsächlichen Gründen gehindert ist, eine für den Kläger des
Ausgangsverfahrens günstige Regelung zu schaffen. Danach sind die
Voraussetzungen für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht
hier gegeben. Der Gesetzgeber ist weder aus Rechtsgründen noch aus
anderen Gründen gehindert, kommunale Wählervereinigungen und ihre
Dachverbände ebenso von der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu
befreien wie Parteien.
II. Die unterschiedliche Behandlung von Parteien und kommunalen
Wählervereinigungen durch § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG verändert die
Wettbewerbslage zwischen Parteien und kommunalen
Wählervereinigungen in einer ernsthaft ins Gewicht fallenden
Weise.
Parteien erhalten durch die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 18
ErbStG die Möglichkeit, Spendenmittel ungeschmälert für ihre
politische Arbeit zu verwenden. Die Mittel, die den
Wählervereinigungen zur Finanzierung ihrer politischen Arbeit in
den Kommunen zur Verfügung stehen, verringern sich dagegen um die
zu entrichtende Erbschaft- und Schenkungsteuer. Spenden, die den
Steuerfreibetrag von derzeit 5.200 Euro übersteigen, sind mit
mindestens 17% zu versteuern. Zudem werden Zuwendungen eines
Geldgebers innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren
zusammengerechnet. Dies führt im Ergebnis dazu, dass regelmäßige
jährliche Spenden von wenig über 500 Euro steuerpflichtig werden.
Für die Beeinträchtigung des Wettbewerbs hat auch § 30 ErbStG
Bedeutung, wonach jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb
vom Erwerber, aber auch vom Spender dem Finanzamt anzuzeigen ist.
Während nach überwiegender Ansicht in der Literatur Spenden an
politische Parteien einer Anzeigepflicht nicht unterliegen, sind
Spenden an kommunale Wählervereinigungen von der Anzeigepflicht
betroffen. Eine Anzeigepflicht besteht auch dann, wenn die
Möglichkeit besteht, dass innerhalb von zehn Jahren die
zusammengerechneten Spenden den Freibetrag übersteigen könnten.
Dies führt zu einem nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand.
Eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs ergibt sich auch daraus,
dass der Zuwendende jedenfalls subsidiär für eine etwaige
Schenkungsteuer haftet und dass die Anzeigepflichten auch
diejenigen Spender erfassen, die über mehrere Jahre einer
kommunalen Wählervereinigung moderate Spenden zuwenden. Insoweit
ist auch zu berücksichtigen, dass das Spendenaufkommen kommunaler
Wählervereinigungen insgesamt erheblich niedriger ist als das der
politischen Parteien.
III. Für die Differenzierung zwischen Parteien und kommunalen
Wählervereinigungen und ihren Dachverbänden gibt es keine
tragfähigen verfassungsrechtlichen Gründe. Die unterschiedlichen
Aufgaben, Tätigkeitsfelder und Finanzbedürfnisse von Parteien und
kommunalen Wählervereinigungen rechtfertigen keine
unterschiedliche steuerliche Behandlung.
Eine unterschiedliche Behandlung wäre nur dann gerechtfertigt,
wenn ein besonderer Finanzbedarf der politischen Parteien
festgestellt werden könnte, der nicht schon durch andere
staatliche Finanzierungsregelungen abgedeckt wäre und wenn die
Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG beabsichtigen würde, diesen
besonderen Finanzbedarf auszugleichen. Dies ist jedoch nicht der
Fall. Der besondere finanzielle Mehraufwand, den politische
Parteien aufgrund ihrer Aufgaben haben, wird nicht durch die
Steuerfreiheit von Spenden und sonstigen Zuwendungen im Erbschaft
und Schenkungsteuerrecht, sondern im Rahmen der staatlichen
Parteienfinanzierung abgegolten.
Die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG ist auch nicht
darauf ausgerichtet, besondere zusätzliche finanzielle
Belastungen, die sich aus der überörtlichen Tätigkeit von Parteien
ergeben, auszugleichen. Die Norm befreit freigebige Zuwendungen an
Parteien von der Erbschaft- und Schenkungsteuer unabhängig davon,
ob diese Mittel für überörtliche Aufgaben benötigt oder hierfür
eingesetzt werden. Die den Parteien gewährte Steuererleichterung
knüpft weder an konkrete finanzielle Belastungen durch
überregionale Aufgaben an noch ist der Höhe nach ein Zusammenhang
zwischen möglichem besonderen Aufwand und der ersparten Steuer
erkennbar oder intendiert.
Die besonderen Verpflichtungen, die den politischen Parteien im
Hinblick auf die Herkunft und die Verwendung ihrer Mittel und ihr
Vermögen auferlegt sind, rechtfertigen ebenfalls nicht die
unterschiedliche Behandlung. Es ist weder erkennbar, dass das
Fehlen entsprechender Regelungen bei den kommunalen
Wählervereinigungen zu erheblichen finanziellen Vorteilen führte,
noch ist § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG darauf ausgerichtet, die
Unterschiede in der Verpflichtung zur Rechnungslegung
auszugleichen.
IV. Trotz Unvereinbarkeit des § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG mit dem
Grundgesetz ist es ausnahmsweise geboten, für eine Übergangszeit
die weitere Anwendbarkeit der Norm anzuordnen und die
Steuerbefreiung auf kommunale Wählervereinigungen auszudehnen.
Dürfte § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG - als Folge der
Unvereinbarerklärung - nicht mehr angewendet werden, hätte dies
auf die bisher begünstigten politischen Parteien erhebliche
nachteilige Folgen. Dies wäre unverhältnismäßig angesichts des
Umstandes, dass mit einer ersatzlosen Streichung der
Steuerbefreiung für politische Parteien nicht zu rechnen ist. Für
eine übergangsweise Ausdehnung der Norm auf kommunale
Wählervereinigungen und ihre Dachverbände spricht zudem, dass sich
mögliche Steuerausfälle voraussichtlich in Grenzen halten werden.
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