Nach § 25b Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) werden
bestimmte Führungsämter zunächst im Beamtenverhältnis auf Zeit
vergeben. Dabei wird das fortbestehende, jedoch ruhende
Beamtenverhältnis auf Lebenszeit durch das zusätzlich begründete
Beamtenverhältnis auf Zeit überlagert. Eine Verleihung des Führungsamts
auf Lebenszeit ist erst möglich, nachdem zwei Amtszeiten von insgesamt
zehn Jahren im Beamtenverhältnis auf Zeit absolviert worden sind. Eine
Verleihung auf Lebenszeit bereits nach der ersten Amtszeit ist
ausgeschlossen. Nach der ersten Amtszeit "kann" das Amt für eine zweite
Amtszeit verliehen werden. Nach Ablauf der zweiten Amtszeit "soll" das
Amt auf Lebenszeit verliehen werden.
Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind im Schuldienst und in der
Forstverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen tätige Beamte, denen ein
Führungsamt im Beamtenverhältnis auf Zeit übertragen ist. Sie hatten
vergeblich beantragt, ihnen das jeweilige Amt auf Lebenszeit zu
übertragen. Auf ihre Revision hin legte das Bundesverwaltungsgericht
die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vergabe von Führungsämtern im
Beamtenverhältnis auf Zeit dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung
vor.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts kam zu dem Ergebnis,
dass die in § 25b LBG NRW geregelte Vergabe von Ämtern mit leitender
Funktion im Beamtenverhältnis auf Zeit den Kernbereich des nach Art. 33
Abs. 5 GG zu beachtenden Lebenszeitprinzips verletzt und die Regelung
nichtig ist. (Die Entscheidung ist mit 5 zu 2 Stimmen ergangen.)
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
1. Das Lebenszeitprinzip in Form der lebenszeitigen Übertragung aller
einer Laufbahn zugeordneten Ämter gehört zu den hergebrachten
Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums, die angesichts ihrer
wesensprägenden Bedeutung vom Gesetzgeber nicht nur zu
berücksichtigen, sondern zu beachten sind. Es hat die Funktion, die
Unabhängigkeit der Beamten im Interesse einer rechtsstaatlichen
Verwaltung zu gewährleisten. Das Bewusstsein seiner gesicherten
Rechtsstellung soll die Bereitschaft des Beamten zu einer an Gesetz
und Recht orientierten Amtsführung fördern und ihn zu unparteiischem
Dienst für die Gesamtheit befähigen. Das Berufsbeamtentum wird so zu
einem Element des Rechtsstaates. Ausnahmen vom Lebenszeitprinzip
sind nur in Bereichen zulässig, in denen die besondere
Sachgesetzlichkeit und die Natur der wahrgenommenen Aufgaben eine
Begründung von Beamtenverhältnissen auf Zeit erfordern (z. B.
kommunale Wahlbeamte auf Zeit, politische Beamte).
2. Die Vergabe von Ämtern mit leitender Funktion im Beamtenverhältnis
auf Zeit verletzt den Kernbereich des Lebenszeitprinzips. Der Beamte
auf Zeit hat in seinem Führungsamt keine gesicherte Rechtsstellung.
Über einen Zeitraum von zehn Jahren, der beim höheren Dienst in der
Regel etwa ein Viertel bis ein Drittel der Lebensdienstzeit
ausmacht, fehlt ihm die rechtliche Sicherheit, die ihm die für seine
Amtsausübung erforderliche Unabhängigkeit geben soll. In der ersten
Amtsperiode ist völlig ungewiss, ob er seine Position in Zukunft
wird behalten können, auch wenn er den Anforderungen des Amts in
vollem Umfang gerecht geworden ist. Der Beamte muss ständig
befürchten, in sein vorheriges Amt, das ihm seine Lebenszeitstellung
vermittelt, zurückgesetzt zu werden, mit allen damit verbundenen
Nachteilen wie einer Gehaltseinbuße, versorgungsrechtlichen
Nachteilen und einem Ansehensverlust bei Kollegen, Untergebenen und
in der Öffentlichkeit. Eine solche Maßnahme erlaubt ansonsten nur
das Disziplinarrecht, in dessen Rahmen die Zurückstufung in ein Amt
mit geringerem Endgrundgehalt die zweitschärfste Sanktion nach der
Entfernung aus dem Dienst darstellt.
3. Eine ausreichend gewichtige Rechtfertigung für diese Durchbrechung
des Lebenszeitprinzips liegt nicht vor. Eine Rechtfertigung findet
sich weder im Leistungsprinzip oder in der Förderung der Mobilität
und Flexibilität des Personaleinsatzes noch in Besonderheiten der
betroffenen Führungsfunktionen.
Entgegen der geäußerten Zielsetzung ist die Regelung des § 25b LBG
NRW nicht auf eine Stärkung der Leistungsfähigkeit zugeschnitten,
sondern entbehrt leistungsbezogener Gestaltungselemente. Eine zweite
Amtszeit, eine spätere Ernennung auf Lebenszeit oder ein
Zurücktreten in das Grundamt sind in der Vorschrift nicht an von dem
Beamten erbrachte Leistung gekoppelt. Es ist vielmehr zu befürchten,
dass die Entscheidung auch durch leistungsfremde politische
Gesichtspunkte bestimmt werden könnte. Die Vorschrift ist auch nicht
darauf ausgerichtet, die Sanktionierung nachlassender Leistungen zu
ermöglichen. Die Nichtverlängerung der Amtszeit ist nicht von einem
durch Tatsachen belegten Leistungsabfall abhängig. Auf eine
Steigerung des Wettbewerbs, die in der Gesetzesbegründung als ein
weiterer Zweck der Vorschrift genannt wird, ist die Regelung
ebenfalls nicht ausgerichtet. § 25 LBG NRW wird in ständiger Praxis
so gehandhabt, dass bei der Vergabe des Führungsamts für eine zweite
Amtszeit und bei der endgültigen Übertragung des Amts nach Ablauf
beider Amtszeiten kein neues Besetzungsverfahren durchgeführt wird.
Der bisherige Amtsinhaber muss sich daher nicht erneut in einem am
Ziel der Bestenauslese ausgerichteten Verfahren dem Wettbewerb mit
anderen Bewerbern stellen. Schließlich ist die Vergabe von
Führungspositionen auf Zeit nicht erforderlich, um die Eignung sowie
die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft eines Beamten für
eine Führungsposition zu prüfen. Hierfür stehen andere geeignete
Instrumente zur Verfügung, die mit dem Lebenszeitprinzip im Einklang
stehen, wie etwa die Möglichkeit der Vergabe von Führungsämtern auf
Probe.
Soweit der Landesgesetzgeber mit der Übertragung von Führungsämtern
auf Zeit die Mobilität oder Flexibilität der Beamten zu steigern
beabsichtigt, bleibt unklar, inwieweit die Vergabe der
Führungspositionen auf Zeit geeignet ist, eine erhöhte Mobilität zu
wechselnden Einsätzen der Beamten zu bewirken.
Die von § 25b LBG NRW erfassten Ämter weisen auch keine sachlichen
Besonderheiten auf, die eine Abweichung vom Lebenszeitprinzip
begründen könnten. Die besonderen Gründe, die bei den hergebrachten
Typen des Beamtenverhältnisses auf Zeit anerkanntermaßen
Abweichungen vom Lebenszeitprinzip zulassen, sind bei den
Führungsämtern, die durch eine bestimmte Besoldungsstufe oder die
Stellung als Leiter einer Behörde oder Abteilung gekennzeichnet
sind, gerade nicht gegeben. Allein die Hierarchieebene ist kein
ausreichender Grund von der lebenszeitigen Statussicherung
abzusehen. Eine andere Beurteilung ist auch nicht durch einen
Vergleich mit den kommunalen Wahlbeamten auf Zeit und den
politischen Beamten veranlasst. Die Führungsämter, die der
nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber für eine Vergabe auf Zeit
in den Blick genommen hat, sind weder mit den Besonderheiten der
Aufgaben, die von den kommunalen Wahlbeamten und den politischen
Beamten wahrgenommen werden, noch mit deren Stellung im politischen
Prozess vergleichbar. Der Status des politischen Beamten könnte
daher auch nicht auf alle in § 25b Abs. 7 LBG NRW genannten Ämter
übertragen werden.
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