Die Antragstellerin betreibt einen privaten Rundfunksender. Sie
beabsichtigt, die im Zuge ihrer Berichterstattung über ein am
Landgericht anhängiges Strafverfahren gefertigten Fernsehaufnahmen von
dem Angeklagten in nicht anonymisierter Form zu veröffentlichen. Zu
einer zunächst nur mündlichen Anordnung des Vorsitzenden erging am 14.
November 2008 ergänzend eine schriftliche Anordnung, wonach
Bildaufnahmen des Angeklagten nur im anonymisierten Zustand (etwa
"verpixelt") veröffentlicht werden dürfen.
Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts lehnte
einen Antrag der Beschwerdeführer auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung ab, diese sitzungspolizeiliche Anordnung des Vorsitzenden
Richters auszusetzen und die Antragstellerin ohne
Anonymisierungsauflage berichten zu lassen. Die Richter kamen zu dem
Ergebnis, dass die Nachteile, die sich für eine freie Berichterstattung
aus der Anordnung des Vorsitzenden ergeben, hinzunehmen sind, weil die
zu befürchtenden Nachteile für den Angeklagten bei nicht anonymisierter
Berichterstattung schwerer wiegen.
Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass im Strafverfahren der
Persönlichkeitsschutz, insbesondere der der Angeklagten, über den
allgemein in der Rechtsordnung anerkannten Schutzbedarf hinausgehende
besondere Bedeutung gewinnt, da sie sich unfreiwillig der Verhandlung
und damit der Öffentlichkeit stellen müssen. Während der rechtskräftig
verurteilte Täter einer Straftat sich nicht nur den hierfür verhängten
strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern auch dulden muss, dass das
von ihm selbst durch seine Tat erregte Informationsinteresse der
Öffentlichkeit in freier Kommunikation auf den dafür üblichen Wegen
befriedigt wird, gilt dies für den noch nicht rechtskräftig
verurteilten Angeklagten nicht in gleicher Weise. Auch eine um
Sachlichkeit und Objektivität bemühte Fernsehberichterstattung stellt
in der Regel einen weitaus stärkeren Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht dar als eine Wort- und Schriftberichterstattung in
Hörfunk und Presse. Die besondere Schwere einer angeklagten Tat und
ihre als besonders verwerflich empfundene Begehungsweise kann im
Einzelfall nicht nur ein gesteigertes Informationsinteresse der
Öffentlichkeit, sondern auch die Gefahr begründen, dass der Angeklagte
eine Stigmatisierung erfährt, die ein Freispruch möglicherweise nicht
mehr zu beseitigen vermag. Diese Gefahr ist hier ebenso wie das
gewichtige öffentliche Informationsinteresse evident. Dieselben Gründe,
die das Informationsinteresse begründen, lassen die Gefahr entstehen,
dass der Angeklagte im Falle der Bildberichterstattung sich von dem
Vorwurf der besonderen Verwerflichkeit des ihm vorgeworfenen Handelns
nur schwer wird befreien können, selbst wenn er freigesprochen werden
würde. Dahinter muss das hier im Hinblick darauf besonders gewichtige
Informationsinteresse der Öffentlichkeit, dass die Tat den Tod eines
Menschen zur Folge hatte, sie als besonders verwerflich angesehen wird,
und dass in der Öffentlichkeit für die Hinterbliebenen des Opfers
großes Mitleid empfunden wird, zurücktreten. Im Übrigen untersagt die
Verfügung des Vorsitzenden die bebilderte Berichterstattung aus dem
Sitzungssaal nicht generell, sondern beschränkt sie lediglich im
Hinblick auf die Person des Angeklagten. Damit wird dem öffentlichen
Informationsinteresse und den Belangen der Pressefreiheit weitgehend
Rechnung getragen.
weitere Pressemitteilungen
|