Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die so genannte „Biblis-Auflage“ weitgehend – bis auf die darin enthaltene Informations- und Meldepflicht der Betreiberin – wegen Unbestimmtheit rechtswidrig ist.
Mit der streitigen nachträglichen Auflage hatte die zuständige Landesbehörde auf Weisung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit der Betreiberin des Kernkraftwerkes Philippsburg aufgegeben, bei – nicht „offensichtlich unbedeutender“ – Nichteinhaltung von „Grenzwerten, Maßen oder anderen spezifizierten sicherheitstechnischen Anforderungen zur Störfallbeherrschung“ den Leistungsbetrieb von sich aus unverzüglich einzustellen. Das Gleiche sollte gelten, wenn „der Nachweis der Störfallbeherrschung gescheitert ist, es sei denn, die Störfallbeherrschung ist zweifelsfrei nur geringfügig beeinträchtigt“. Ferner war angeordnet worden, dass „die Aufsichtsbehörde unverzüglich zu informieren“ ist, wenn „der Nachweis der Störfallbeherrschung in Frage gestellt sein könnte“. Eine gleichlautende nachträgliche Auflage war auf Weisung des Bundesumweltministeriums erstmals für das Kernkraftwerk Biblis angeordnet worden; insoweit ist ein Klageverfahren noch bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof anhängig. Es ist beabsichtigt, vergleichbare Anordnungen für alle Atomkraftwerke im Bundesgebiet zu erlassen.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte die Auflage für zu unbestimmt gehalten und sie deshalb insgesamt aufgehoben. Dieser Auffassung schloss sich das Bundesverwaltungsgericht an, soweit in der Auflage die Pflicht zur sofortigen Betriebseinstellung angeordnet wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Betreiberin könne in beiden Fällen nicht hinreichend deutlich erkennen, wann und unter welchen Voraussetzungen diese Pflicht ausgelöst werde. Es hat insbesondere beanstandet, dass das Verhältnis der angeordneten Betriebseinstellung zu den zahlreichen Auflagen in der Genehmigung und den darin enthaltenen differenzierten Reaktionen auf die Nichteinhaltung von Grenzwerten und anderen Kontrolldaten unklar sei. Soweit in der streitigen Auflage unabhängig von der Schwere der Überschreitung und der Bedeutung des nicht eingehaltenen Kontrollwerts für die Sicherheit pauschal die sofortige Einstellung des Leistungsbetriebs verfügt werde, verstoße sie überdies gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Die angeordnete Melde- und Informationspflicht hat das Bundesverwaltungsgericht hingegen für hinreichend bestimmt gehalten und die Klage insoweit abgewiesen. In der mündlichen Verhandlung hatte der Beklagte erklärt, die Pflicht zur Information greife ein, wenn gesicherte naturwissenschaftlich-technische Erkenntnisse bei der Betreiberin Zweifel an dem Nachweis der Störfallbeherrschung weckten. Das Bundesverwaltungsgericht ist der Auffassung, solche die Informationspflicht auslösenden Zweifel seien für die Betreiberin ohne Weiteres erkennbar, wenn sie etwa wegen Unklarheiten mit dem Hersteller in Erörterungen eingetreten sei.
BVerwG 7 C 38.07 – Urteil vom 2. Juli 2008
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