Ingo Steuer, Trainer der deutschen Meister und Europameister im Eiskunstpaarlauf
Aljona Savchenko und Robin Szolkowy, darf auch Sportsoldaten trainieren. Das entschied
heute das Brandenburgische Oberlandesgericht.
Ingo Steuer, der bei seiner Einstellung bei der Bundeswehr als Sportsoldat, zunächst
als Sportler, später als Trainer, zwei Mal die Frage nach einer Tätigkeit für das MfS
wahrheitswidrig verneint hatte, war von der Bundeswehr im März 2006 fristlos entlassen
worden. Im Herbst 2007 wurde ihm mitgeteilt, dass die Bundeswehr es wegen
seiner falschen Angaben bei seiner Einstellung nicht dulden werde, dass er Sportsoldaten
trainiere. Herr Steuer trainiert seitdem keine Sportsoldaten mehr. Herr Szolkowy
ist seit Sommer 2006 nicht mehr Sportsoldat.
Herr Steuer hat in diesem Verhalten der Bundeswehr eine Beeinträchtigung seiner
beruflichen Tätigkeit als freiberuflicher Trainer gesehen, weil die Sportfördergruppe
bei der Bundeswehr eine tragende Säule der Sportförderung für Leistungssportler
sei. Sportsoldaten könnten ihn als Trainer nicht wählen, ohne ihren Status und damit
die Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu verlieren.
Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat die Klage des Herrn Steuer gegen die Bundesrepublik
Deutschland mit Urteil vom 10.6.2010 abgewiesen. Der 6. Zivilsenat des
Brandenburgischen Oberlandesgerichts hat auf seine Berufung die Bundeswehr verurteilt,
ihn als Eiskunstlauftrainer von Sportsoldaten zu dulden, wenn sie ihn als Trainer
wählen, der sportliche Spitzenverband ihn beauftragt und der Deutsche Olympische
Sportbund seine Tätigkeit befürwortet.
Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt, das Verhalten der Bundeswehr
greife in die gewerbliche Tätigkeit des Herrn Steuer ein, es habe für ihn den
Effekt eines Boykotts. Deutsche Spitzensportler im Eiskunstlauf seien Sportsoldaten
mit Ausnahme der deutschen Europameister im Paarlauf, die von Herrn Steuer trainiert
werden. Die Bundeswehr verhindere, dass er Trainerleistungen erbringen und
hierdurch Einnahmen erzielen könne.
Auch wenn Herr Steuer bei seiner Einstellung ein schweres Dienstvergehen begangen
habe, indem er auf Befragung seine Tätigkeit für das MfS nicht offengelegt habe,
rechtfertige dies bei einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalles keine zielgerichtete
Behinderung seiner beruflichen Tätigkeit als freiberuflicher Eiskunstlauftrainer.
Herr Steuer habe seine Verpflichtungserklärung gegenüber dem MfS kurz
nach seinem 18. Geburtstag noch als Sportler unterschrieben und durch seine Tätigkeit
als IM offenbar keiner der von ihm bespitzelten Personen einen konkreten Schaden
zugefügt. Er sei 12 Jahre im Dienste der Bundeswehr tätig gewesen und habe
dort höchste Auszeichnungen erhalten. Argumente gegen die fachliche Eignung des
Klägers existierten nicht.
Schließlich sei es die Aufgabe des Spitzenverbandes, der Deutschen Eislauf Union,
und des Deutschen Olympischen Sportbundes, sich darüber klarzuwerden, ob sie
ein Training durch Herrn Steuer zulassen wollten oder nicht. Wenn sie nach Überprüfung
seiner früheren Tätigkeit für das MfS keine Einwände dagegen hätten, dass
er heute Spitzensportler im Eiskunstlauf trainiere, sei die Bundeswehr nicht berechtigt,
diese sportfachliche Entscheidung außer Kraft zu setzen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Oberlandesgericht hat die Revision zum
Bundesgerichtshof zugelassen.
Brandenburg, den 29. März 2011 (Urteil vom 29.3.2011, 6 U 66/10)
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