Vierter reiner Familiensenatbeim Oberlandesgericht (OLG) eingerichtet
Im Falle einer Scheidung müssen die bei den Amtsgerichten angesiedelten Familiengerichte
den sogenannten Versorgungsausgleich durchführen. Dabei handelt es
sich um den Ausgleich der während der Ehezeit von den Eheleuten erworbenen
Anwartschaften und Aussichten auf eine Versorgung wegen Alters oder verminderter
Erwerbsfähigkeit. Der Versorgungsausgleich wird von den Familiengerichten normalerweise
im Rahmen des Scheidungsverfahrens durchgeführt.
Gerade in den neuen Bundesländern kommt es häufig vor, dass die Ehegatten zum
einen Ansprüche auf eine Ostrente, zum anderen Ansprüche auf eine Westrente
erworben haben. Bis zum Inkrafttreten der Reform zum Versorgungsausgleich zum
1.9.2009 konnte in vielen Scheidungsverfahren der Versorgungsausgleich nicht
durchgeführt werden, da eine Verrechnung der Ost- und West-Anwartschaften nicht
möglich war. Dies war immer dann der Fall, wenn der eine Ehegatte mehr "Ostrente"
und der andere mehr "Westrente" erworben hat. Dies hatte zur Folge, dass in diesen
Fällen das Scheidungsverfahren nicht vollständig durchgeführt werden konnte und
die Versorgungsausgleichsverfahren ruhten. So mussten aufgrund dieser Gesetzeslage
allein im Land Brandenburg die Familiengerichte an den 25 Amtsgerichten seit
der Wiedervereinigung rund 20.000 Versorgungsausgleichsverfahren ausgesetzt
werden.
Seit dem 1.9.2009 steht fest, wie in diesen Fällen zukünftig verfahren wird. Das an
diesem Tag in Kraft getretene neue Versorgungsausgleichsgesetz ordnet an, dass
die ruhenden Verfahren entweder auf Antrag eines der geschiedenen Ehegatten
oder doch jedenfalls von den Gerichten von sich aus innerhalb von fünf Jahren, d. h.
bis zum 1.9.2014, wieder aufzunehmen sind und der Versorgungsausgleich durchzuführen
ist. Die Betroffenen erhalten dann, manchmal viele Jahre nach der Scheidung,
wieder Post vom Familiengericht.
Die Familiengerichte haben zum Teil aufgrund von Anträgen, zum Teil von sich aus
begonnen, diese noch nicht vollständig abgeschlossenen Scheidungsverfahren abzuarbeiten.
Dies führt nicht nur zu einer spürbar höheren Belastung der Familiengerichte
in erster Instanz. Da das neue Recht Fragen aufwirft, die von den Gerichten
unterschiedlich beantwortet werden können, haben die aufgenommenen Versorgungsausgleichsverfahren
auch zu einer höheren Zahl von Beschwerdeverfahren
geführt, die etwa seit dem Begin des Jahres 2010 vermehrt bei den Familiensenaten
am Brandenburgischen Oberlandesgericht eingehen.
Die Vielzahl der jetzt zu bearbeitenden Verfahren zwingt die Gerichte dazu, mehr
Personal mit der Bearbeitung von Familiensachen zu betrauen. Im Land Brandenburg
werden seit mehreren Jahren in der sogenannten ordentlichen Gerichtsbarkeit,
zu denen die Familiengerichte gehören, nur in ganz geringem Umfang neue Richter
und Servicekräfte eingestellt. Deshalb müssen Mitarbeiter, die bisher in anderen
Rechtsgebieten tätig waren, einspringen. Sie müssen sich dabei erst in das Familienrecht,
eine komplizierte Spezialmaterie, einarbeiten.
Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat zum 1.7.2011 seine Geschäftsverteilung
ändern müssen, um der erhöhten Belastung der Familiensenate Rechnung zu
tragen. Nunmehr sind vier Senate ausschließlich mit der Entscheidung in Familiensachen
befasst.
Brandenburg, den 5. Juli 2011
weitere Pressemitteilungen
|