Nach dem sog. „Hartz IV-Gesetz“ (SGB II) mindert Einkommen des
Leistungsempfängers grundsätzlich seine Hilfebedürftigkeit und daher
auch seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Die hier relevanten
Vorschriften des § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB II in der seit dem 1.
Januar 2005 geltenden Fassung enthalten Ausnahmen von der
Einkommensanrechnung. Darunter fällt die nach dem sozialen
Entschädigungsrecht gewährte Grundrente, die u. a. gesundheitlich
geschädigten Kriegsopfern geleistet wird. Anrechnungsfrei sind ferner
die den Opfern nationalsozialistischer Verfolgung gewährten Renten und
Beihilfen sowie das nach zivilrechtlichen Vorschriften geleistete
Schmerzensgeld. Auch sog. zweckbestimmte Einnahmen, die einem anderen
Zweck als die Leistungen nach dem SGB II, also vor allem nicht der
Sicherung des Lebensbedarfs, dienen, sind unter bestimmten
Voraussetzungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
Die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wird
denjenigen Versicherten gewährt, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines
Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit um wenigstens 20 % gemindert
ist. Ihre leistungsmindernde Anrechnung auf andere Sozialleistungen ist
unterschiedlich geregelt. Während die Verletztenrente im Recht der
gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe eines der Grundrente nach dem
sozialen Entschädigungsrecht entsprechenden Betrages anrechnungsfrei
bleibt und dies auch für die bis zum 31. Dezember 2004 gewährte
Arbeitslosenhilfe galt, wurde sie in der Praxis des bis dahin geltenden
Sozialhilferechts nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vollständig
leistungsmindernd auf die Sozialhilfe angerechnet.
Die Beschwerdeführer erhalten seit 1995 bzw. 1996 infolge eines
Arbeitsunfalls eine Verletztenrente aus der gesetzlichen
Unfallversicherung. Im Jahr 2005 wurde ihnen Arbeitslosengeld II
bewilligt, wobei der Grundsicherungsträger jeweils die Verletztenrente
voll als leistungsminderndes Einkommen berücksichtigte. Ihre Klagen
blieben in letzter Instanz vor dem Bundessozialgericht ohne Erfolg. Nach
Auffassung des Bundessozialgerichts stelle die Verletztenrente weder
eine zweckbestimmte Einnahme dar noch ergebe sich im Verhältnis zu den
in § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB II privilegierten Leistungen eine
verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Die sich hiergegen richtenden
Verfassungsbeschwerden hat die 3. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen, weil die
Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, die Beschwerdeführer
insbesondere nicht in ihren Grundrechten verletzt werden.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
1. Die Beschwerdeführer sind nicht in ihrem Grundrecht auf
Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Sie werden zwar als
Empfänger der voll als Einkommen berücksichtigten Verletztenrente
gegenüber den Empfängern der nach § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB II
privilegierten Leistungen ungleich behandelt. Die Ungleichbehandlung ist
jedoch sachlich gerechtfertigt.
Zweckbestimmte öffentlich-rechtliche Leistungen unterscheiden sich
dadurch von anderen Einnahmen, dass der Gesetzgeber selbst angeordnet
hat, dass die Leistung ganz oder teilweise einem anderen Zweck dienen
soll als die Leistungen nach dem SGB II und insbesondere nicht zur
Sicherung des Lebensunterhalts gedacht ist. Die gesetzgeberische
Zweckbestimmung ist ein hinreichend gewichtiges
Unterscheidungskriterium. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden, dass das Bundessozialgericht die Verletztenrente aus der
gesetzlichen Unfallversicherung auch nicht teilweise als zweckbestimmte
Einnahme bewertet hat. Denn nach der gesetzgeberischen Konzeption stellt
sie eine abstrakt berechnete Verdienstausfallentschädigung dar, die
ebenso wie der Arbeitslohn selbst der Sicherung des Lebensunterhalts
dient. Eine eindeutige gesetzgeberische Bestimmung der Verletztenrente
zu einem anderen Zweck als der Sicherung des Lebensunterhalts folgt
insbesondere nicht daraus, dass der Teil der Verletztenrente, der einer
Grundrente des sozialen Entschädigungsrechts entspricht, nicht auf
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet wird. Die
betreffende Regelung ist auf das Recht der gesetzlichen
Rentenversicherung beschränkt. Dies schließt es aus, dem Gesetzgeber zu
unterstellen, dass er generell und damit unabhängig davon, welche
Sozialleistung der Leistungsempfänger neben der Verletztenrente bezieht,
anordnen wollte, dass die Verletztenrente zumindest teilweise nicht zur
Sicherung des Lebensunterhalts bestimmt ist.
Auch zwischen den Beziehern einer Grundrente des sozialen
Entschädigungsrechts, die nicht als Einkommen berücksichtigt wird, und
den Beziehern einer Verletztenrente aus der gesetzlichen
Unfallversicherung bestehen hinreichend gewichtige Unterschiede, die die
Ungleichbehandlung rechtfertigen. Anders als die Verletztenrente ist die
Grundrente nicht zur Sicherung des allgemeinen Lebensunterhalts
bestimmt, sondern stellt eine Entschädigung für die Beeinträchtigung der
körperlichen Integrität dar und soll zugleich die Mehraufwendungen
ausgleichen, die der Geschädigte gegenüber einem gesunden Menschen hat.
Dass der Gesetzgeber demgegenüber die Verletztenrente als Leistung der
Sozialversicherung generell als abstrakten Erwerbsschadensausgleich
konzipiert hat, steht in seinem Gestaltungsermessen und verstößt nicht
gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung.
Die Ungleichbehandlung der den Beschwerdeführern gewährten
Verletztenrente gegenüber den Entschädigungsleistungen an die Opfer
nationalsozialistischer Verfolgung rechtfertigt sich aus der besonderen
Schutzbedürftigkeit dieser Berechtigten.
Die Privilegierung von Schmerzensgeld gegenüber der Verletztenrente ist
durch die Zweckbestimmung und besondere Funktion des Schmerzensgeldes
gerechtfertigt. Es dient nicht zur Deckung des Lebensunterhalts, sondern
ausschließlich zur Abdeckung eines Schadens immaterieller Art, und soll
insbesondere auch Erschwernisse, Nachteile und Leiden ausgleichen, die
über den Schadensfall hinaus anhalten und die nicht durch die materielle
Schadensersatzleistung abgedeckt sind. Zugleich trägt das Schmerzensgeld
dem Gedanken Rechnung, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was
er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet, und nimmt in dieser Funktion
eine Sonderstellung innerhalb der sonstigen Einkommens- und
Vermögensarten ein, die der Verletztenrente nicht zukommt.
Dass das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung unter anderem auch
Schmerzensgeldansprüche des durch einen Arbeitsunfall geschädigten
Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber ausschließt, führt zu keiner
anderen Bewertung. Durch den Haftungsausschluss des Arbeitgebers erhält
die Verletztenrente keine dem Schmerzensgeld entsprechende gesetzliche
Zweckbestimmung. Im konkreten Fall war auch nicht erkennbar, dass die
Beschwerdeführer ohne den unfallversicherungsrechtlichen
Haftungsausschluss Ansprüche auf Schmerzensgeld gegen ihre Arbeitgeber
gehabt hätten und von der Privilegierung des Schmerzensgeldes in § 11
Abs. 3 Nr. 2 SGB II hätten profitieren können.
2. Die Beschwerdeführer werden auch nicht in ihrem Grundrecht auf Schutz
des Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Ob Ansprüche auf eine
Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, die allein
durch Beiträge der Arbeitgeber finanziert wird, überhaupt vom
Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst werden, kann dahinstehen, da
es jedenfalls an einem Eingriff in diesen Schutzbereich fehlt. Denn der
Zahlbetrag der Verletztenrente bleibt unverändert. Gemindert wird
lediglich das nicht von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Arbeitslosengeld
II.
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