Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am
5. Juli 2011, 10:00 Uhr,
im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts,
Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe
über Verfassungsbeschwerden, die sich gegen deutsche und europäische
Rechtsakte sowie weitere Maßnahmen richten, die im Zusammenhang mit der
Griechenland-Hilfe und dem Euro-Rettungsschirm im Raum der Europäischen
Währungsunion stehen.
I. Griechenland-Hilfe
Im Mai 2010 stellten die Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe auf Antrag
Griechenlands im Zusammenhang mit einem dreijährigen Programm des
Internationalen Währungsfonds (IWF) erhebliche Finanzhilfen bereit und
versprachen, Griechenland mit bilateralen Darlehen zu unterstützen. Um
die erforderlichen Maßnahmen auf nationaler Ebene zu treffen,
verabschiedete der Deutsche Bundestag am 7. Mai 2010 das Gesetz zur
Übernahme von Gewährleistungen zum Erhalt der für die Finanzstabilität
in der Währungsunion erforderlichen Zahlungsfähigkeit der Hellenischen
Republik. Dieses Gesetz ermächtigt das Bundesministerium der Finanzen,
Gewährleistungen bis zur Höhe von insgesamt 22,4 Milliarden Euro für
Kredite an Griechenland zu übernehmen. Einen hiergegen gerichteten
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lehnte das
Bundesverfassungsgericht ab (vgl. im Einzelnen BVerfG, Beschluss des
Zweiten Senats vom 7. Mai 2010 - 2 BvR 987/10 -, BVerfGE 125, 385,
Pressemitteilung Nr. 30/2010 vom 8. Mai 2010).
II. Euro-Rettungsschirm
Ebenfalls noch am 7. Mai 2010 kamen die Staats- und Regierungschefs der
Euro-Gruppe in Brüssel zusammen und vereinbarten, dass die EU-Kommission
einen europäischen Stabilisierungsmechanismus zur Wahrung der
Finanzmarktstabilität in Europa vorschlagen sollte
(„Euro-Rettungsschirm“). Der Rat für Wirtschaft und Finanzen
(ECOFIN-Rat) beschloss daraufhin die Schaffung eines europäischen
Stabilisierungsmechanismus. Dieser setzt sich zusammen aus dem auf eine
EU-Verordnung gestützten europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus
(EFSM) und aus der europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF).
Die EFSF ist eine Zweckgesellschaft zur Gewährung von Darlehen und
Kreditlinien, die auf einer zwischenstaatlichen Vereinbarung der
Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe beruht. Auch die Europäische Zentralbank
(EZB) ließ sich in den neuen Ansatz einbeziehen, indem sie ein „Programm
für die Wertpapiermärkte“ beschloss. Unter anderem ermächtigte der
EZB-Rat dabei die Zentralbanken des Eurosystems, Schuldtitel, die von
Zentralstaaten oder öffentlichen Stellen der Euro-Mitgliedstaaten
begeben werden, auf dem Sekundärmarkt anzukaufen (ABl Nr. L 124/8). Die
Verordnung (EU) Nr. 407/2010 des Rates vom 11. Mai 2010 zur Einführung
eines europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (ABl Nr. L 118/1)
stützt sich auf Art. 122 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der
Europäischen Union (AEUV). Danach kann einem Mitgliedstaat, der aufgrund
außergewöhnlicher Ereignisse, die sich seiner Kontrolle entziehen, von
Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten
ernstlich bedroht ist, ein finanzieller Beistand der EU gewährt werden.
Um auf nationaler Ebene die Voraussetzungen für die Leistung
finanziellen Beistands über die EFSF zu schaffen, verabschiedete der
Deutsche Bundestag am 21. Mai 2010 das Gesetz zur Übernahme von
Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen
Stabilisierungsmechanismus. Dieses Gesetz ermächtigt das
Bundesministerium der Finanzen, Gewährleistungen zur Absicherung von
Krediten bis zu einer Höhe von 147,6 Milliarden Euro zu übernehmen, die
die EFSF aufnimmt. Auch einen hiergegen gerichteten Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung lehnte das Bundesverfassungsgericht ab
(vgl. im Einzelnen BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 9. Juni 2010
- 2 BvR 1099/10 -, BVerfGE 126, 158, Pressemitteilung Nr. 38/2010 vom
10. Juni 2010).
III. Beschwerdevorbringen
Die Beschwerdeführer sind der Ansicht, dass die ergriffenen Maßnahmen
Unionsrecht verletzen und Ultra-Vires-Handeln darstellen; sie rügen
unter anderem die Verletzung ihres Grundrechts auf Eigentum aus Art. 14
GG sowie eine Beeinträchtigung des Wahlrechts aus Art. 38 Abs. 1 GG,
insbesondere unter den Aspekten einer Verletzung des Demokratieprinzips
und einer Beeinträchtigung der Haushaltsautonomie des Deutschen
Bundestages.
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet in diesen Pilotverfahren
erstmals in der Hauptsache über verfassungsrechtliche Fragen im
Zusammenhang mit der Griechenland-Hilfe und dem Euro-Rettungsschirm.
Beim Bundesverfassungsgericht sind zahlreiche weitere
Verfassungsbeschwerden zu diesen Themenkomplexen anhängig, über die
anschließend zu entscheiden sein wird.
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