Elterngeld kann vom Tag der Geburt des Kindes bis zur Vollendung des 14.
Lebensmonats bezogen werden. Jedoch darf gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 des
Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) die Bezugszeit für einen
Elternteil grundsätzlich nicht mehr als 12 Monate betragen, mindestens 2
Monate Elterngeld müssen vom anderen Elternteil in Anspruch genommen
werden (sogenannte „Partner(innen)-“ oder „Vätermonate“). Ausnahmen
gelten z. B. für Alleinerziehende.
Die verheiratete Klägerin des zugrundeliegenden Verfahrens, der für die
ersten 12 Lebensmonate ihres Kindes Elterngeld gewährt wurde,
beansprucht auch für den 13. und 14. Monat Elterngeld. Die Ablehnung
ihres Antrags und ihre hiergegen gerichtete Klage führten zur Vorlage
durch das Landessozialgericht, das die Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 1
BEEG für verfassungswidrig hält. Sie greife ungerechtfertigt in die
durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG geschützte Freiheit der Ehegatten und
Eltern zur eigenverantwortlichen Ausgestaltung der innerfamiliären
Aufgabenverteilung ein, indem sie die Gewährung des Elterngeldes
zumindest für 2 Monate von einer bestimmten familiären Arbeitsverteilung
abhängig mache.
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat
entschieden, dass die Vorlage unzulässig ist. Ein Gericht kann die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit
einer gesetzlichen Vorschrift nur einholen, wenn es zuvor selbst ihre
Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat. Hierbei muss es
insbesondere auf die maßgebliche Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts eingehen und sich unter Berücksichtigung der
in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Rechtsauffassungen auch mit
den Gründen auseinandersetzen, die im Gesetzgebungsverfahren für die
gesetzgeberische Entscheidung maßgebend waren. Diesen Anforderungen wird
die Vorlage nicht gerecht.
Die Regelung zu den „Partnermonaten“ zielt darauf ab, die
partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zu fördern
und dadurch die einseitige Zuweisung der Betreuungsarbeit an die Frauen
mit den nachteiligen Folgen auf dem Arbeitsmarkt aufzubrechen. Damit
wollte der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Förderung
der Gleichberechtigung von Männern und Frauen aus Art. 3 Abs. 2 GG
entsprechen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
verfolgt dieser Verfassungsauftrag das Ziel, die Gleichberechtigung der
Geschlechter in der gesellschaftlichen Wirklichkeit durchzusetzen und
überkommene Rollenverteilungen zu überwinden. Dies verpflichtet den
Gesetzgeber auch dazu, einer tradierten Rollenverteilung zu begegnen,
nach der das Kind einseitig und dauerhaft dem „Zuständigkeitsbereich“
der Mutter zugeordnet würde. Mit dieser Rechtsprechung hat sich das
vorlegende Landessozialgericht nicht hinreichend befasst. So wäre zu
erwägen gewesen, ob durch die vor allem auf Väter zielende Regelung zu
den „Partnermonaten“ gesellschaftliche Vorurteile, insbesondere in der
Arbeitswelt, abgebaut werden und Väter dadurch zur Inanspruchnahme von
Elternzeit ermutigt werden könnten. Gleiches gilt für die Überlegung, ob
die geringeren beruflichen Aufstiegschancen von Frauen nicht teilweise
ausgeglichen werden könnten, wenn zunehmend auch Männer von ihrem
Anspruch auf Elternzeit Gebrauch machten, weil dadurch der Besorgnis der
Arbeitgeber begegnet werden könnte, Frauen seien wegen der
Kinderbetreuung beruflich nicht kontinuierlich verfügbar.
Soweit das Landessozialgericht die Regelung zu den „Partnermonaten“ für
unverhältnismäßig hält, weil sie nicht geeignet sei, zu einer
partnerschaftlicheren Rollenverteilung beizutragen, fehlt es an einer
Auseinandersetzung mit der Reichweite des gesetzgeberischen
Einschätzungs- und Prognosespielraums. Ein vom Gesetzgeber gewähltes
Mittel ist im verfassungsrechtlichen Sinn bereits dann geeignet, wenn
mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die
Möglichkeit der Zweckerreichung genügt. Nach Angaben des Statistischen
Bundesamtes ist der Anteil der Kinder, deren Vater Elterngeld bezog, in
den Jahren 2007 bis 2009 von 15,4 % auf 23,9 % gestiegen. Diese Daten
lassen eine Steigerung der Akzeptanz der Wahrnehmung von
Familienverantwortung durch Väter erwarten. Damit erscheint auch die
Erreichung des vom Gesetzgeber angestrebten Zwecks, die
partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zu
fördern, zumindest möglich.
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