Das Planungsschadensrecht nach den §§ 39 ff. Baugesetzbuch (BauGB)
regelt, ob und auf welche Weise Vermögensnachteile, die einem
Grundstückseigentümer an seinem Grundstück durch Festsetzungen in einem
Bebauungsplan entstehen, auszugleichen sind. Danach kann der Eigentümer,
dessen Grundstück infolge einer festgesetzten Nutzungsänderung eine
Wertminderung erfährt, eine Geldentschädigung verlangen (§ 42 BauGB).
Bei Vorliegen bestimmter gemeinnütziger Festsetzungen im Sinne des § 40
Abs. 1 BauGB ist der Eigentümer nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 3 Satz 1
BauGB für ihm dadurch entstehende Vermögensnachteile nur nach § 40 BauGB
zu entschädigen. Danach kann er von der planenden Gemeinde unter
bestimmten Voraussetzungen insbesondere die Übernahme des Grundstücks
gegen eine Geldentschädigung verlangen. Die Verfassungsbeschwerde
betrifft die Frage, ob ihm daneben für die Zeit bis zur Umsetzung der
Planung bzw. der Übernahme des Grundstücks eine Entschädigung wegen
Wertminderung nach § 42 BauGB zusteht.
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer zweier Grundstücke in einer
baden-württembergischen Stadt, auf denen sich eine privat genutzte
Parkanlage mit einer zu privaten Wohnzwecken genutzten Villa befindet.
Die Grundstücke waren seit 1939 als Wohngebiet mit Gewerbebetrieben
ausgewiesen. Nachdem die Stadt im Jahr 1982 beschlossen hatte, für das
Gebiet einen neuen Bebauungsplan aufzustellen, erklärten die
Beschwerdeführer gegenüber der Stadt ihre Bauabsicht für drei Baukörper
mit insgesamt 51 Wohneinheiten. 1987 trat der Bebauungsplan in Kraft. Er
weist auf den beiden Grundstücken im Wesentlichen eine öffentliche
Grünfläche (Parkanlage) und eine Fläche für den Gemeinbedarf
(Kindergarten) aus. Die Einwendungen der Beschwerdeführer gegen den
Bebauungsplan blieben vor den Verwaltungsgerichten ohne Erfolg. Ihre
hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat das
Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR
565/91). Die Stadt hat bislang nichts zur Umsetzung des Bebauungsplans
unternommen. Für den Kindergarten besteht derzeit kein Bedarf mehr.
Da die Beschwerdeführer aufgrund des Bebauungsplans ihre Bauabsichten
nicht umsetzen konnten und dies weiterhin nicht können, verlangen sie
von der Stadt dafür in erster Linie eine Geldentschädigung. Nachdem
ihrem Begehren erstinstanzlich dem Grunde nach stattgegeben worden war,
wiesen das Oberlandesgericht und der Bundesgerichtshof den
Entschädigungsantrag zurück. Die hier in Rede stehenden fremdnützigen
Festsetzungen im Bebauungsplan richteten sich nach § 40 Abs. 1 BauGB, so
dass aufgrund der Regelung des § 43 Abs. 3 Satz 1 BauGB unter den hier
gegebenen Umständen nur eine Entschädigung in Form eines
Übernahmeanspruchs in Betracht komme.
Die Beschwerdeführer sehen sich durch die angegriffenen Entscheidungen
in ihrem Grundrecht auf Eigentum verletzt. Durch die von den
Fachgerichten vorgenommene Auslegung des § 43 Abs. 3 Satz 1 BauGB würden
die betroffenen Grundstückseigentümer verfassungswidrig gezwungen,
entweder ihr Grundstückseigentum aufzugeben, um eine Entschädigung für
den Entzug der Baumöglichkeit zu erhalten, oder die ihnen infolge der
Umplanung faktisch auferlegte „Veränderungssperre“ auf ungewisse Dauer
entschädigungslos hinzunehmen.
Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die
Annahmevoraussetzungen nicht vorliegen. Die Anwendung und Auslegung der
einschlägigen planungsschadensrechtlichen Vorschriften durch die
Fachgerichte lassen keine Verletzung von Verfassungsrecht erkennen. Auch
die Verfassungswidrigkeit der den angegriffenen Entscheidungen zugrunde
liegenden Rechtslage kann nicht festgestellt werden.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
1. Nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 3 Satz 1 BauGB kann bei Vorliegen der
Voraussetzungen des § 40 BauGB nur eine Entschädigung in Form eines
Übernahmeanspruchs gewährt werden. Eine anderweitige Auslegung der
Vorschrift dahingehend, dass den Beschwerdeführern die begehrte
Geldentschädigung nach § 42 BauGB zuzuerkennen wäre, würde die Grenzen
der Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung überschreiten. Ihr
steht nicht nur der eindeutige Wortlaut des § 43 Abs. 1 Satz 1 BauGB
entgegen, sondern auch der erkennbare Wille des Gesetzgebers. Danach
soll im Fall der in § 40 Abs. 1 BauGB aufgeführten fremdnützigen
Festsetzungen vermieden werden, dass der Eigentümer das betroffene
Gründstück behalten und bis zu dessen endgültiger planmäßiger Verwendung
Vermögensnachteile in Geld liquidieren kann.
2. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Bestimmung des § 43
Abs. 3 Satz 1 BauGB und die damit eine weitergehende Entschädigung
versagende Rechtslage gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG
verstoßen. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob die
Eigentümerbefugnisse der Beschwerdeführer durch den geltenden
Bebauungsplan deshalb unverhältnismäßig beschränkt werden, weil der
Verweis auf den Übernahmeanspruch im Hinblick auf die jahrlange
Nichtumsetzung des Bebauungsplans und seiner ungewissen Realisierung
keinen angemessenen Ausgleich zu schaffen vermag. Denn mit den neuen
Einwendungen gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans ist für die
Beschwerdeführer grundsätzlich der Rechtsschutz vor den
Verwaltungsgerichten eröffnet, auf den sie sich verweisen lassen müssen.
Dieser Primärrechtsschutz - entweder im Rahmen eines erneuten
Normenkontrollverfahrens oder durch eine Inzidentkontrolle der
Planfestsetzungen im Bauvorbescheid- oder Baugenehmigungsverfahren - ist
weder verfahrensrechtlich ausgeschlossen noch in der Sache aussichtslos.
Die Verwaltungsgerichte werden darüber zu entscheiden haben, ob der
Bebauungsplan zwischenzeitlich funktionslos geworden ist, oder - falls
dies nicht der Fall ist - ob die beanstandeten Festsetzungen unter den
nun gegebenen Bedingungen die Eigentumsbefugnisse der Beschwerdeführer
noch verhältnismäßig einschränken. Dabei werden die zeitliche Dimension
der Nutzungseinschränkung im Hinblick auf die schon verstrichene Zeit
und ihre weiterhin offene Dauer sowie das Fortbestehen der von der Stadt
geltend gemachten Gemeinwohlbelange zu berücksichtigen sein.
Belastet eine Festsetzung im Bebauungsplan auch unter Berücksichtigung
der absehbaren zeitlichen Dimension ihrer Umsetzung den Eigentümer
ungeachtet seines Übernahmeanspruchs unverhältnismäßig in seinem
Grundstückseigentum, kann ein daraus folgender Verstoß gegen die
Eigentumsgarantie nicht durch eine anderweitige, im Gesetz nicht
vorgesehene Entschädigungsleistung kompensiert werden. Es hat dann bei
dem nach der jeweiligen Verfahrensart vor den Verwaltungsgerichten
möglichen Rechtsfolgenausspruch für den festgestellten
Verfassungsverstoß zu verbleiben.
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