Der Beschwerdeführer ist seit dem Jahr 2005 im Maßregelvollzug
untergebracht. Im Juni 2009 kündigte die Maßregelvollzugsklinik dem
Beschwerdeführer an, dass er mit einem Neuroleptikum behandelt werden
und diese Behandlung erforderlichenfalls auch gegen seinen Willen -
durch Injektion unter Fesselung - durchgeführt werden solle. Die
hiergegen gerichteten Rechtsmittel hatten keinen Erfolg. Mit der
Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer unter anderem geltend,
man dürfe ihm nicht zwangsweise Medikamente verabreichen, wenn -
unstrittig - keine Psychose, sondern nur eine Persönlichkeitsstörung
vorliege. Eine scharfe psychiatrische Indikation sei nicht gestellt. Er
leide schwer unter den Nebenwirkungen der Medikation.
Der im konkreten Fall als Rechtsgrundlage herangezogene § 8 Abs. 2 Satz
2 des baden-württem-bergischen Gesetzes über die Unterbringung psychisch
Kranker (Unterbringungsgesetz - UBG BW) bestimmt, dass der
Untergebrachte diejenigen Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen zu
dulden hat, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst erforderlich sind,
um die Krankheit zu untersuchen und zu behandeln, soweit die
Untersuchung oder Behandlung nicht unter Absatz 3 fällt. § 8 Abs. 3 UBG
BW sieht (nur) für operative Eingriffe und Eingriffe, die mit einer
erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden sind, ein
Einwilligungserfordernis vor.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass § 8
Abs. 2 Satz 2 UBG BW mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit
aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit dem Grundrecht auf
effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar und nichtig
ist. Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschlüsse des
Landgerichts und des Oberlandesgerichts wurden aufgehoben. Sie verletzen
den Beschwerdeführer bereits deshalb in seinem Grundrecht auf
körperliche Unversehrtheit, weil es für die Zwangsbehandlung, die sie
als rechtmäßig bestätigen, an einer verfassungsmäßigen gesetzlichen
Grundlage fehlt.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer
auf die Erreichung des Vollzugsziels gerichteten medizinischen
Zwangsbehandlung eines Untergebrachten hat das Bundesverfassungsgericht
in seinem Beschluss vom 23. März 2011 geklärt (vgl. BVerfG, Beschluss
des Zweiten Senats vom 23. März 2011 - 2 BvR 882/09 -, EuGRZ 2011, S.
321 ff., sowie Pressemitteilung Nr. 28/2011 vom 15. April 2011).
Die Eingriffsermächtigung des § 8 Abs. 2 Satz 2 UBG BW genügt, auch in
Verbindung mit weiteren Bestimmungen des baden-württembergischen
Unterbringungsgesetzes, den in diesem Beschluss konkretisierten
Maßstäben nicht. Insbesondere ist die medizinische Zwangsbehandlung des
Untergebrachten zur Erreichung des Vollzugsziels nach dieser Vorschrift
nicht, wie verfassungsrechtlich geboten, auf die Fälle seiner
krankheitsbedingt fehlenden Einsichtsfähigkeit begrenzt. Einer Reihe
weiterer aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abzuleitender
Anforderungen, denen ein zur medizinischen Zwangsbehandlung eines
Untergebrachten ermächtigendes Gesetz genügen muss, entspricht § 8 Abs.
2 Satz 2 UBG BW ebenfalls nicht.
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