Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat einer
Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe
stattgegeben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das
Oberlandesgericht zurückverwiesen. Der Beschwerdeführer hatte sich bei
einem Transplantationszentrum vergeblich darum bemüht, auf die
Warteliste für die Organvermittlung zur Herztransplantation gesetzt zu
werden. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass aufgrund gravierender
Verständigungsprobleme die Mitwirkung des Patienten bei der Vor- und
Nachbehandlung („Compliance“) nicht gesichert sei. Daraufhin beantragte
der Beschwerdeführer erfolglos Prozesskostenhilfe für eine
Schmerzensgeldklage. Der diesbezügliche Beschluss des Oberlandesgerichts
verletzt die Grundrechte des Beschwerdeführers, weil es schwierige und
bislang ungeklärte Rechtsfragen im Prozesskostenhilfeverfahren
entschieden sowie eine ernsthaft in Betracht kommende Beweisaufnahme
abgeschnitten hat.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen die folgenden Erwägungen
zugrunde:
1. Der Beschwerdeführer war wegen eines Herzleidens in Behandlung. Das
behandelnde Krankenhaus lehnte die Aufnahme auf die Warteliste für die
Organvermittlung zur Herztransplantation ab, weil aufgrund gravierender
Verständigungsprobleme und der deswegen nicht gesicherten Mitwirkung des
Patienten die Indikation zur Herztransplantation fehle. Nachdem der
Beschwerdeführer von einem anderen Transplantationszentrum auf die
Warteliste genommen worden war, beantragte er Prozesskostenhilfe für
eine Schmerzensgeldklage gegen das ursprünglich behandelnde Krankenhaus.
Die Ablehnung allein wegen fehlender Sprachkenntnisse diskriminiere ihn
und verletze sein allgemeines Persönlichkeitsrecht.
2. Das Landgericht lehnte die begehrte Prozesskostenhilfe ab; das
Oberlandesgericht wies die sofortige Beschwerde zurück. Hiergegen
richtet sich die Verfassungsbeschwerde.
3. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und
gibt ihr statt. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den
Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1
(Gleichheitssatz) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG
(Rechtsstaatsprinzip). Daher ist der Beschluss des Oberlandesgerichts
aufzuheben und die Sache dorthin zurückzuverweisen.
4. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Inhalt und
Reichweite des aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG
folgenden Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit bereits geklärt.
Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Vorschriften obliegen
dabei in erster Linie den zuständigen Fachgerichten. Verfassungsrecht
wird jedoch dann verletzt, wenn die angegriffene Entscheidung Fehler
erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von
der Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG
verbürgten Rechtsschutzgleichheit beruhen. Schwierige, bislang
ungeklärte Rechts- und Tatfragen dürfen nicht im
Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von
Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können. Zudem
läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, wenn der
unbemittelten Partei - wegen Fehlens der Erfolgsaussichten ihres
Rechtsschutzbegehrens - Prozesskostenhilfe verweigert wird, obwohl eine
Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und
nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme
mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers
ausgehen würde.
5. Bei Anwendung dieser Maßstäbe erweist sich die Verfassungsbeschwerde
als begründet. Die Ausgangsgerichte haben die Anforderungen an die
Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung überspannt und
dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe verfehlt, dem Unbemittelten den
weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen.
a) Die Ausgangsgerichte haben schwierige und bislang ungeklärte
Rechtsfragen im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden. In der
Literatur wird bereits formal die Ermächtigung der Bundesärztekammer zum
Erlass von Richtlinien in Frage gestellt. Inhaltlich wird an den
Richtlinien kritisiert, dass die unzureichende Mitwirkung des Patienten
zu einer Kontraindikation gegen die Aufnahme in die Warteliste führen
kann. Soweit die Richtlinien ferner vorsehen, dass die unzureichende
Mitwirkung auch auf sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten beruhen
kann, lasse dies die Möglichkeit außer Acht, einen Dolmetscher
hinzuzuziehen. Auf die Beantwortung dieser - von der Rechtsprechung
bislang nicht geklärten - Fragen kommt es für die Beurteilung der vom
Beschwerdeführer geltend gemachten Ansprüche an.
b) Eine Verletzung der Rechtsschutzgleichheit liegt außerdem darin, dass
die Ausgangsgerichte Prozesskostenhilfe verweigert haben, obwohl eine
Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kam sowie keine konkreten und
nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass diese mit großer
Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde.
Für die im Ausgangsverfahren zwischen den Beteiligten streitige Frage,
ob ein Gespräch des Beschwerdeführers mit einer psychologisch erfahrenen
Person stattgefunden hat, kommt eine Beweisaufnahme ernsthaft in
Betracht. Diese Frage ist entscheidungserheblich, da nach den
Richtlinien der Rat einer psychologisch erfahrenen Person einzuholen
ist, bevor die Aufnahme in die Warteliste endgültig abgelehnt wird. Im
Hauptsacheverfahren hätte neben der vom Krankenhaus benannten Zeugin
auch der Beschwerdeführer vernommen beziehungsweise angehört werden
müssen, da es um ein entscheidungserhebliches Gespräch unter vier Augen
zwischen einer Zeugin und dem Beschwerdeführer als Partei des
Ausgangsverfahrens ging.
weitere Pressemitteilungen
|