Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass einem anerkannten Naturschutzverband Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist, wenn geplante Tiefflugübungen der Bundeswehr über einem Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiet) zu erheblichen Beeinträchtigungen führen können.
Der klagende Naturschutzverband begehrt die Feststellung, dass er vor einer Entscheidung über die Durchführung militärischer Tiefflugübungen über der Colbitz-Letzlinger Heide zu beteiligen ist. Das Gebiet ist in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden und beherbergt nach Angaben des Klägers während der Brutzeit zahlreiche Vogelarten, deren Bruterfolg durch die Tiefflüge gefährdet werde.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Sachsen-Anhalt (OVG) hat offen gelassen, ob von den geplanten Tiefflügen erhebliche Beeinträchtigungen des Gebiets ausgehen können, weil ein Beteiligungsrecht des Klägers bereits wegen § 30 Abs. 1 LuftVG ausgeschlossen sei. Danach könne die Bundeswehr von den luftverkehrsrechtlich vorgegebenen Mindestflughöhen abweichen, wenn dies zur Erfüllung ihrer besonderen hoheitlichen Aufgaben zwingend notwendig sei. Dabei habe sie auch die materiellrechtlichen Voraussetzungen des Naturschutzrechts in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Ein wie auch immer geartetes Verfahren, an dem Verbände beteiligt werden könnten, finde somit nicht statt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. § 30 Abs. 1 LuftVG eröffnet der Bundeswehr zwar die Möglichkeit, von den luftverkehrsrechtlich vorgegebenen Mindestflughöhen abzuweichen. Ein Dispens von den formellen und materiellen Anforderungen des Naturschutzrechts ist damit aber nicht verbunden. Die geplanten Tiefflüge sind deshalb bei der Entscheidung über die luftverkehrsrechtliche Abweichung auch auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets zu prüfen. Ergibt die Prüfung, dass die Flüge zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets führen können, sind sie naturschutzrechtlich unzulässig. Soll von diesem naturschutzrechtlichen Verbot abgewichen werden, ist der Kläger vorher zu beteiligen, sofern nicht besondere Gründe wie etwa Gefahr im Verzug oder ein aus dem Verteidigungsauftrag abzuleitendes Geheimhaltungsinteresse einer Beteiligung entgegenstehen.
BVerwG 4 C 3.12 - Urteil vom 10. April 2013
Vorinstanzen:
OVG Magdeburg 2 L 30/10 - Urteil vom 12. Mai 2011
VG Magdeburg 1 A 246/08 MD - Urteil vom 01. März 2010
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