Die Bezeichnung als „durchgeknallte Frau“ kann, abhängig vom Kontext,
eine ehrverletzende Äußerung sein, die nicht mehr vom Grundrecht auf
Meinungsfreiheit gedeckt ist. Dies hat die
3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts in einem heute
veröffentlichten Beschluss entschieden. Damit gab sie der
Verfassungsbeschwerde einer ehemaligen Landrätin und
Landtagsabgeordneten teilweise statt, die sich gegen einzelne Äußerungen
im Beitrag eines Online-Mediums gewandt hatte.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin ist ehemalige Landrätin und war bis September
2013 Mitglied des
Bayerischen Landtags. Ende 2006 posierte sie für ein
Gesellschaftsmagazin, das die Fotostrecke in einer ihrer Ausgaben
veröffentlichte. Dies nahm die Beklagte des Ausgangsverfahrens zum
Anlass, auf ihrer Internetseite einen Text zu veröffentlichen, der u. a.
die folgende Passage enthält:
„Ich sage es Ihnen: Sie sind die frustrierteste Frau, die ich kenne.
Ihre Hormone sind dermaßen durcheinander, dass Sie nicht mehr wissen,
was wer was ist. Liebe, Sehnsucht, Orgasmus, Feminismus, Vernunft.
Sie sind eine durchgeknallte Frau, aber schieben Sie Ihren Zustand nicht
auf uns Männer.“
Die Beschwerdeführerin sieht sich in ihrem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht verletzt und begehrt von der Beklagten die
Unterlassung verschiedener Einzeläußerungen, u. a. der Bezeichnung als
„durchgeknallte Frau“, sowie eine angemessene Geldentschädigung.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das klagabweisende Urteil
des Oberlandesgerichts.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die angegriffene Entscheidung verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem
allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 1 GG. Soweit sie die Äußerung unbeanstandet lässt, die
Beschwerdeführerin sei eine „durchgeknallte Frau“, hält sich dies nicht
mehr im fachgerichtlichen Wertungsrahmen. Die Entscheidung wird insoweit
aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das
Oberlandesgericht zurückverwiesen.
1. Die Bezeichnung der Beschwerdeführerin als „durchgeknallte Frau“
beeinträchtigt sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Das
allgemeine Persönlichkeitsrecht findet seine Schranken gemäß Art. 2 Abs.
1 GG in der verfassungsmäßigen Ordnung einschließlich der Rechte
anderer. Zu diesen Rechten gehört auch die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5
Abs. 1 Satz 1 GG. Die Gerichte haben die betroffenen unterschiedlichen
Interessen und das Ausmaß ihrer Beeinträchtigung zu erfassen. Die sich
gegenüberstehenden Positionen sind in Ansehung der konkreten Umstände
des Einzelfalls in ein Verhältnis zu bringen, das ihnen jeweils
angemessen Rechnung trägt.
2. Das Oberlandesgericht misst dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der
Beschwerdeführerin ein zu schwaches Gewicht bei. Es übersieht die
persönliche Ehre als in Art. 5 Abs. 2 GG ausdrücklich genannte Schranke.
Wenn die Beschwerdeführerin von der Beklagten die Unterlassung der
Äußerung begehrt, sie sei eine „durchgeknallte Frau“, so wendet sie sich
gegen diese Äußerung als Zusammenfassung des vorangegangenen Absatzes.
Hierin verschiebt die Beklagte die öffentliche Auseinandersetzung um die
Person der Beschwerdeführerin hin zu rein spekulativen Behauptungen über
den Kern ihrer Persönlichkeit als Privatperson. Sie stützt diese
Spekulationen auf Beurteilungen, die thematisch den innersten
Intimbereich betreffen, ohne dass sie irgendeinen Tatsachenkern hätten.
Sie knüpfen zwar an das Verhalten der Beschwerdeführerin an, die für ein
Gesellschaftsmagazin posierte und eine Serie von Fotos von sich fertigen
ließ, weswegen sich die Beschwerdeführerin eine Auseinandersetzung
hiermit auch gefallen lassen muss. So bleibt es der Beklagten
unbenommen, sich - auch zugespitzt und polemisch - zu dem Verhalten der
Beschwerdeführerin zu äußern.
Die Folgerungen der Beklagten, die sie mit den Worten „durchgeknallte
Frau“ zusammenfasst, haben jedoch als solche keinerlei Anknüpfungspunkt
in dem Verhalten der Beschwerdeführerin. Die Beklagte zielt hier
vielmehr bewusst darauf, die Beschwerdeführerin nicht nur als
öffentliche Person und wegen ihres Verhaltens zu diskreditieren, sondern
ihr provokativ und absichtlich verletzend jeden Achtungsanspruch gerade
schon als private Person abzusprechen. Angesichts dessen kann sich die
Meinungsfreiheit nicht durchsetzen. Dabei ist auch zu berücksichtigen,
dass es sich vorliegend um einen bewusst geschriebenen und als
Verletzung gewollten Text handelt, der nicht Ausdruck einer spontanen
Äußerung im Zusammenhang einer emotionalen Auseinandersetzung ist.
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