Mit heute verkündetem Urteil hat der Zweite Senat des
Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Regelungen des
Filmförderungsgesetzes zur Filmabgabe verfassungsgemäß sind. Der Bund
kann sich hierfür auf seine Gesetzgebungskompetenz für das Recht der
Wirtschaft stützen, selbst wenn er - neben wirtschaftsbezogenen -
zugleich kulturelle Zwecke verfolgt. Die Regelungen zur Filmabgabe
genügen auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine
Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion.
Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerinnen betreiben Filmtheater. Sie wenden sich gegen
Abgabenbescheide der Filmförderungsanstalt für das erste Halbjahr 2004
sowie gegen sie bestätigende Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und
des Bundesverwaltungsgerichts.
Nach dem Gesetz über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films
(Filmförderungsgesetz - FFG) fördert der Bund durch die
Filmförderungsanstalt, eine bundesunmittelbare rechtsfähige Anstalt des
öffentlichen Rechts, die Struktur der deutschen Filmwirtschaft und die
kreativ-künstlerische Qualität des deutschen Films als Voraussetzung für
dessen Erfolg im Inland und im Ausland (§ 1 Abs. 1 FFG). Gefördert
werden vor allem die Produktion, der Absatz und das Abspielen
förderfähiger Filme. Dies wird finanziert durch die Erhebung einer
Filmabgabe. Abgabepflichtig waren im Jahr 2004 zunächst nur die
Betreiber von Filmtheatern und die Lizenz-rechteinhaber der
Videowirtschaft. Die Abgabe bemisst sich für sie nach dem Umsatz, der
mit dem Abspielen von Filmen in Kinos bzw. mit dem Verkauf oder der
Vermietung von Bildträgern erzielt wird. Für die Fernsehveranstalter war
zunächst eine vertraglich zu vereinbarende Beitragsleistung vorgesehen.
Im Jahr 2010 fügte der Gesetzgeber für die Fernsehveranstalter einen der
Höhe nach bestimmten Abgabetatbestand ein und ordnete das rückwirkende
Inkrafttreten der Regelung ab 2004 an. Im Streitjahr 2004 wandte die
Filmförderungsanstalt über 61 Millionen Euro für die Filmförderung auf.
Wesentliche Erwägungen des Senats:
Die zulässigen Verfassungsbeschwerden sind nicht begründet.
1. Die gesetzlichen Bestimmungen, die Grundlage für die Heranziehung der
Beschwerdeführerinnen zur Filmabgabe waren, sind durch die
Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Recht der Wirtschaft (Art. 74
Abs. 1 Nr. 11 GG) gedeckt.
a) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes entfällt nicht schon dann, wenn
der Gesetzgeber mit wirtschaftsbezogenen Regelungen zugleich kulturelle
Zwecke verfolgt, solange der maßgebliche objektive Regelungsgegenstand
und -gehalt in seinem Gesamtzusammenhang ein im Schwerpunkt
wirtschaftsrechtlicher ist. Der Kompetenzbereich der Länder wird durch
die Reichweite der Bundeskompetenzen bestimmt, nicht umgekehrt. Das
schließt es zwar nicht aus, Sachmaterien zu identifizieren, die nach dem
Willen des Verfassungsgebers zumindest in wesentlichen Hinsichten in die
Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen sollen. In diesem Sinne gelten
die Länder als Träger der Kulturhoheit. Hieraus folgt jedoch nicht, dass
die Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes Einwirkungen auf den
Kulturbereich und eine Berücksichtigung kultureller Belange von
vornherein nicht ermöglichen. Dem Bund ist es nicht verwehrt, in der
Wahrnehmung aller seiner Kompetenzen auch auf Schonung, Schutz und
Förderung der Kultur Bedacht zu nehmen.
b) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG
scheidet danach nicht bereits deshalb aus, weil der Film nicht nur ein
Wirtschaftsgut, sondern zugleich ein Kulturgut darstellt und mit dem
Filmförderungsgesetz stets auch kulturelle Zwecke verfolgt worden sind.
Seinem objektiven Regelungsgehalt nach ist das Gesetz auf die Förderung
der deutschen Filmwirtschaft und des deutschen Films ausgerichtet. Den
qualitätsbezogenen Fördervoraussetzungen in zahlreichen Regelungen liegt
die Annahme zugrunde, dass der angestrebte wirtschaftliche Erfolg des
deutschen Films gerade von einer auch qualitätsorientierten Förderung
abhängt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Annahme
unrealistisch und nur vorgeschoben wäre, um unter dem Vorwand der
Wirtschaftsförderung reine Kulturförderung zu betreiben.
2. Die gesetzlichen Regelungen zur Erhebung der Filmabgabe genügen den
finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen an die Erhebung von
Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion.
a) Mit einer Sonderabgabe darf nur eine homogene Gruppe belegt werden,
die von der Allgemeinheit und von anderen Gruppen abgrenzbar ist. Die
Gruppe muss zu dem Zweck der Abgabenerhebung in spezifischer Sachnähe
stehen, so dass ihr eine besondere Finanzierungsverantwortung
zugerechnet werden kann. Grundsätzlich ist der Gesetzgeber gehalten, von
der Belastung mit einer Sonderabgabe nicht Gruppen auszuschließen,
obwohl diese zum Sachzweck der Abgabe in gleicher oder gar noch größerer
Nähe stehen als die Abgabebelasteten. Daraus folgt jedoch nicht ohne
weiteres eine Pflicht, bei mehrstufigen Marktverhältnissen mit der
Belastung durch eine Sonderabgabe auf jeder einzelnen Marktstufe
zuzugreifen.
Das Abgabenaufkommen muss gruppennützig verwendet werden. Bei den
Sonderabgaben, mit denen Angehörige eines bestimmten Wirtschaftszweiges
zur Finanzierung von Fördermaßnahmen zugunsten eben dieses
Wirtschaftszweiges herangezogen werden, muss der Gruppennutzen evident
sein.
b) aa) Die mit der Abgabe belasteten Untergruppen - Kinobetreiber,
Lizenzrechteinhaber der Videowirtschaft sowie Fernsehveranstalter -
bilden als Inlandsvermarkter deutscher Kinofilme gemeinsam eine homogene
Gruppe. Deren besondere Sachnähe und Finanzierungsverantwortung ist
begründet im gemeinsamen Interesse an der gedeihlichen Struktur der
deutschen Filmwirtschaft und am Erfolg des deutschen Films.
(1) Der Einwand der Beschwerdeführerinnen, dass den weitaus meisten
Kinobetreibern ein solches Interesse fehle, weil sie nicht speziell an
der Entstehung deutscher Filme, sondern allein am wirtschaftlichen
Erfolg eines Films - gleich welcher Herkunft - interessiert seien,
greift nicht durch. Im Streitjahr 2004 betrug der Marktanteil deutscher
Filme, gemessen an den Kinobesucherzahlen, 23,8 %. Deutlicher als durch
ihr in diesen Zahlen dokumentiertes freiwilliges Marktverhalten könnte
die Kinowirtschaft, die die betreffenden deutschen Filme vorgeführt hat,
ihr wirtschaftliches Interesse am deutschen Film nicht bekunden.
Die Beschwerdeführerinnen bezweifeln darüber hinaus, dass der deutsche
Film auf Förderung durch die Filmförderungsanstalt überhaupt angewiesen
sei. Die gegenteilige Einschätzung des Gesetzgebers - wie auch fast
aller abgegebenen Stellungnahmen - in dieser Frage, in der
experimentelle Beweise nicht verlangt werden können, findet jedoch
Rückhalt in der Marktlage der Filmwirtschaft.
(2) Unschädlich ist, dass in den abgabebelasteten Verwertungszweigen
deutscher Kinofilme mit der Abgabe jeweils nur eine der
Verwertungsstufen, und nicht in allen Zweigen dieselbe, belastet wird.
Die 1992 getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, den Abgabenzugriff
für den Bereich der Videowirtschaft vom Einzelhandel und den Videotheken
auf die nächsthöhere Handelsstufe zu verschieben, führt nicht zu einer
gleichheitswidrigen Belastungsverzerrung.
(3) Auch dass verschiedene weitere Gruppen nicht in die Abgabebelastung
einbezogen sind, stellt die Homogenität der abgabebelasteten Gruppe
sowie deren spezifische Sachnähe und Finanzierungsverantwortung nicht in
Frage. So ist die Nichteinbeziehung der Auslandsvermarktung jedenfalls
dadurch gerechtfertigt, dass die Erhebung der Abgabe hier einem
wesentlichen mittels der Abgabe verfolgten Förderziel, nämlich dem
Erfolg des deutschen Films im Ausland, zuwiderliefe. In der zum
Endverbraucher im Inland verlaufenden Verwertungskette entfaltet die
Abgabe, da sie nicht speziell auf die mit deutschen Filmen erzielten
Erlöse erhoben wird, keine speziell den deutschen Film und seine Nutzung
verteuernde Wirkung. Die Belastung des Exports deutscher Filme und
Filmrechte wäre dagegen mit einer solchen dem Förderziel abträglichen
Wirkung unvermeidlich verbunden.
(4) Der Verfassungsmäßigkeit der Abgabenregelung für das Jahr 2004 steht
nicht entgegen, dass es in diesem Jahr an einer näher bestimmten
Abgabepflicht der Fernsehveranstalter fehlte. Im Jahr 2010 hat der
Gesetzgeber neue Abgabevorschriften rückwirkend ab 2004 in Kraft
gesetzt. Hierin liegt keine verfassungsrechtlich unzulässige
Rückwirkung.
bb) Das Abgabenaufkommen wird evident gruppennützig verwendet. Darin,
dass das Gesetz auch qualitätsbezogene Förderkriterien vorsieht, liegt
keine Abkehr von wirtschaftlicher Erfolgsorientierung. Vielmehr ist die
Qualitätsförderung, dem wirtschaftsfördernden Regelungsgehalt des
Filmförderungsgesetzes entsprechend, gerade auf nachhaltige
Erfolgssicherung ausgerichtet. Der erforderliche Gruppennutzen wird auch
nicht dadurch in Frage gestellt, dass viele geförderte Filme sich als
nicht erfolgreich erweisen. Nach einhelliger Auffassung der
einschlägigen Fachkreise ist der wirtschaftliche Erfolg von Filmen nicht
sicher prognostizierbar. Es liegt in der Natur kreativer und
künstlerischer Werke, dass sie gerade nicht ausschließlich nach
eingefahrenen, vorgegebenen Mustern produziert sind und ihre Aufnahme
beim Publikum sich daher allenfalls eingeschränkt anhand von Erfahrungen
mit zurückliegenden Publikumsreaktionen auf andere Filme vorhersagen
lässt.
3. Die Entscheidungen der Filmförderungsanstalt sind in ausreichendem
Maß demokratisch legitimiert. Bei der Vergabekommission, die wichtige
Förderentscheidungen trifft, ist zwar die personelle Legitimation
erheblich zurückgenommen, da deren Mitglieder zu einem großen Teil von
Organisationen der Filmschaffenden und der abgabepflichtigen Gruppen
benannt werden. Dies findet jedoch ausreichende Rechtfertigung in der
Natur der zu treffenden Entscheidungen, die mit Urteilen über
kreativ-künstlerische Qualitäten verbunden sind. Die Vergabekommission
ist kein Repräsentationsorgan, das entsprechender Rückbindung an den
Willen des vertretenen Kollektivs durch die Organisationsform einer
körperschaftlichen Selbstverwaltung bedürfte. Es handelt sich vielmehr
um ein auf bestmögliche Umsetzung vorgegebener gesetzlicher Maßstäbe hin
konzipiertes kollegiales Entscheidungsgremium. Die Rahmenbedingungen
sind so beschaffen, dass eine an den gesetzlichen Bestimmungen
orientierte, nicht zugunsten von Sonderinteressen verzerrte
Entscheidungspraxis gesichert erscheint.
4. Die angegriffenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
verletzen die Beschwerdeführerinnen nicht in ihrem grundrechtsgleichen
Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Dass das
Bundesverwaltungsgericht keine Notwendigkeit einer Vorlage an den
Gerichtshof der Europäischen Union gesehen hat, beruht nicht auf einer
nicht mehr verständlichen oder unhaltbaren Auslegung des Art. 267 Abs. 3
AEUV.
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