In einem heute veröffentlichten Beschluss hat der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts seine Rechtsprechung zur echten Rückwirkung
präzisiert. Den Inhalt geltenden Rechts kann der Gesetzgeber mit Wirkung
für die Vergangenheit nur in den verfassungsrechtlichen Grenzen für eine
rückwirkende Rechtsetzung feststellen oder klarstellend präzisieren. Ein
Gesetz, durch das eine offene Auslegungsfrage für die Vergangenheit
geklärt werden soll, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht als
konstitutive Regelung anzusehen. Eine Ausnahme vom Grundsatz der
Unzulässigkeit der echten Rückwirkung hat der Erste Senat im konkreten
Fall verneint und das rückwirkende Gesetz für nichtig erklärt. Die
Entscheidung ist im Ergebnis mit 5:3 Stimmen, hinsichtlich der
verfassungsrechtlichen Grundsätze mit 6:2 Stimmen ergangen; der Richter
Masing hat ein Sondervotum abgegeben.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Das Verfahren der konkreten Normenkontrolle betrifft die Frage, ob § 43
Abs. 18 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) gegen das
Rückwirkungsverbot verstößt.
1. In der zweiten Jahreshälfte 2003 nahm sich der Gesetzgeber eines
Auslegungsproblems zur ertragsteuerlichen Berücksichtigungsfähigkeit von
Gewinnminderungen bei Fondsbeteiligungen an. In Frage stand, ob § 8b
Abs. 3 Körperschaftsteuergesetz (KStG) in der ab dem 1. Januar 2001
geltenden Fassung auch auf Kapitalanlagegesellschaften Anwendung findet,
obwohl § 40a Abs. 1 KAGG auf diese Vorschrift ursprünglich nicht
verwies. Am 22. Dezember 2003 wurde durch das „Korb II-Gesetz“ (BGBl I
S. 2840) die Vorschrift des § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG eingefügt, die eine
ausdrückliche Verweisung auf § 8b Abs. 3 KStG enthält; gemäß der
Begründung des Regierungsentwurfs handelt es sich um eine „redaktionelle
Klarstellung“. Nach § 43 Abs. 18 KAGG ist der neue § 40a Abs. 1 Satz 2
KAGG „für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden, soweit Festsetzungen
noch nicht bestandskräftig sind“.
2. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine Bank. In ihrem
Umlaufvermögen hielt sie Anteile an Investmentfonds, deren Börsenkurse
am 31. Dezember 2002 unter die Buchwerte des Jahresabschlusses 2001
gesunken waren. Die Klägerin nahm gewinnmindernde Abschreibungen vor und
behandelte diese zunächst als steuerlich wirksam. Aufgrund des Korb
II-Gesetzes reichte die Klägerin beim Finanzamt eine geänderte
Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2002 ein. Sie erhöhte gemäß §
40a Abs. 1 Satz 2 KAGG in Verbindung mit § 8b Abs. 3 KStG den Gewinn
außerbilanziell um die Abschreibungen, berief sich aber auf die
Verfassungswidrigkeit der Rückwirkung. Das mit der Klage befasste
Finanzgericht hat das Verfahren ausgesetzt, um eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Es hält § 43 Abs. 18 KAGG für
verfassungswidrig, weil die neue Fassung des § 40a Abs. 1 KAGG nicht
lediglich klarstellend sei, sondern eine unzulässige echte Rückwirkung
entfalte.
Wesentliche Erwägungen des Senats:
§ 43 Abs. 18 KAGG ist verfassungswidrig und nichtig, soweit er die
rückwirkende Anwendung des § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG in den
Veranlagungszeiträumen 2001 und 2002 anordnet.
1. § 43 Abs. 18 KAGG entfaltet für diese Jahre in formaler Hinsicht
echte Rückwirkung. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet in
ständiger Rechtsprechung zwischen Gesetzen mit echter Rückwirkung, die
grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar sind, und solchen mit
unechter Rückwirkung, die grundsätzlich zulässig sind. Eine Rechtsnorm
entfaltet echte Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen
abgeschlossenen Sachverhalt eingreift, insbesondere eine bereits
entstandene Steuerschuld ändert. Wirkt sich die Änderung einer
Steuerrechtsnorm auf abgelaufene Veranlagungszeiträume aus, liegt
insoweit eine echte Rückwirkung vor.
2. Die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Verbots echt rückwirkender
Gesetze beanspruchen hier auch in materieller Hinsicht Geltung. § 40a
Abs. 1 Satz 2 KAGG ist aus verfassungsrechtlicher Sicht als konstitutive
Rechtsänderung zu behandeln.
a) Die im Regierungsentwurf zum Korb II-Gesetz vertretene Auffassung,
die Vorschrift habe nur klarstellenden Charakter, ist für die Gerichte
nicht verbindlich. Zur verbindlichen Normauslegung ist in aller Regel
die rechtsprechende Gewalt berufen; dies gilt auch bei der Frage, ob
eine Norm konstitutiven oder deklaratorischen Charakter hat. Der
Gesetzgeber hat keine Befugnis zur authentischen Interpretation
gesetzlicher Vorschriften. Er ist zwar befugt, den Inhalt einer von ihm
gesetzten Norm zu ändern oder klarstellend zu präzisieren und dabei
gegebenenfalls eine Rechtsprechung zu korrigieren, mit der er nicht
einverstanden ist. Dabei hat er sich jedoch im Rahmen der
verfassungsmäßigen Ordnung zu halten.
b) Für die Beantwortung der Frage, ob eine rückwirkende Regelung aus
verfassungsrechtlicher Sicht als konstitutiv zu behandeln ist, genügt
die Feststellung, dass die geänderte Norm in ihrer ursprünglichen
Fassung von den Gerichten in einem Sinn ausgelegt werden konnte, der mit
der Neuregelung ausgeschlossen werden sollte. So liegt der Fall hier.
c) Der Wunsch des Gesetzgebers, eine Rechtslage rückwirkend
klarzustellen, verdient verfassungsrechtliche Anerkennung grundsätzlich
nur in den durch das Rückwirkungsverbot vorgegebenen Grenzen.
Andernfalls würde der rechtsstaatlich gebotene Schutz des Vertrauens in
die Stabilität des Rechts empfindlich geschwächt. Angesichts der
allgemeinen Auslegungsfähigkeit und -bedürftigkeit des Rechts könnte es
dem Gesetzgeber regelmäßig gelingen, einen Klärungsbedarf zu begründen.
Eine von Vertrauensschutzerfordernissen weitgehend freigestellte
Befugnis zur rückwirkenden Klarstellung des geltenden Rechts eröffnete
dem Gesetzgeber den weit reichenden Zugriff auf zeitlich abgeschlossene
Rechtslagen und ließe im Nachhinein politischen Opportunitätserwägungen
Raum.
d) Ein legislatives Zugriffsrechtsrecht auf die Vergangenheit folgt auch
nicht aus dem Demokratieprinzip, sondern steht zu diesem in einem
Spannungsverhältnis. Die demokratische Verantwortung des Parlaments ist
auf die Gegenwart und auf die Zukunft bezogen. Früher getroffene
legislative Entscheidungen verfügen über eine eigenständige
demokratische Legitimation. Der historische Legitimationskontext kann -
jedenfalls soweit die Gesetzeswirkungen in der Vergangenheit liegen -
nicht ohne Weiteres durch den rückwirkenden Zugriff des heutigen
Gesetzgebers ausgeschaltet werden. Auch vom Demokratieprinzip ausgehend
muss der Zugriff des Gesetzgebers auf die Vergangenheit die Ausnahme
bleiben.
3. Die mit der konstitutiven Wirkung des § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG
verbundene Belastung ist verfassungswidrig, soweit sie nach § 43 Abs. 18
KAGG hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 mit echter
Rückwirkung versehen ist.
a) Die im Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten verankerten
Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes stehen
Gesetzen mit echter Rückwirkung grundsätzlich entgegen. Von diesem
Verbot bestehen jedoch Ausnahmen: Das Rückwirkungsverbot gilt nicht,
soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden
konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht
gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig war. Bei den in der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten, nicht
abschließend definierten Fallgruppen handelt es sich um Typisierungen
ausnahmsweise fehlenden Vertrauens in eine bestehende Gesetzeslage.
b) Von den anerkannten Fallgruppen kommen hier nur diejenigen der
Unklarheit und Verworrenheit der ursprünglichen Gesetzeslage oder ihrer
Systemwidrigkeit und Unbilligkeit in Betracht. Keine von beiden vermag
jedoch die Rückwirkung des § 43 Abs. 18 KAGG auf die
Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 zu rechtfertigen.
aa) Die höchstrichterlich nicht geklärte Auslegung des § 40a Abs. 1 KAGG
und die insoweit uneinheitliche Rechtsprechung auf der Ebene der
Finanzgerichte begründen noch keine verworrene Rechtslage. Allein die
Auslegungsbedürftigkeit einer Norm rechtfertigt nicht deren rückwirkende
Änderung. Andernfalls könnte sich insbesondere in den Anfangsjahren
einer gesetzlichen Regelung grundsätzlich nie ein schutzwürdiges
Vertrauen gegen rückwirkende Änderungen entwickeln, solange sich keine
gefestigte Rechtsprechung hierzu herausgebildet hat.
bb) Das ursprüngliche einfache Recht war auch nicht in einer Weise
systemwidrig und unbillig, dass dies eine echte Rückwirkung
rechtfertigen könnte. Keine der beiden Auslegungsvarianten
(Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit des § 8b Abs. 3 KStG auf
Kapitalanlagegesellschaften) ist von Verfassungs wegen zwingend geboten.
Eine Ausgestaltung der Besteuerung von Kapitalanlagegesellschaften im
Sinne der Auffassung des vorlegenden Gerichts bewegt sich im
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, ohne dass ernsthafte Zweifel an
der Verfassungsmäßigkeit bestünden. Von einer systemwidrigen Abwälzung
der Verluste der Kapitalanlagegesellschaften auf die Allgemeinheit kann
vorliegend nicht die Rede sein.
c) Auch über die anerkannten Fallgruppen hinaus besteht hier kein
Anlass, von dem im Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten verankerten
Vertrauensschutz und dem darin wurzelnden Ausnahmecharakter zulässiger
echter Rückwirkung abzuweichen. Eine solche Abweichung wäre es jedoch,
wenn dem Wunsch des Gesetzgebers, den „wahren“ Inhalt früher gesetzten
Rechts nachträglich festzulegen und eine seinen Vorstellungen
widersprechende Auslegung auch für die Vergangenheit zu korrigieren,
Grenzen nur im Hinblick auf bestands- oder rechtskräftig abgeschlossene
Einzelverfahren oder bei Rechtslagen gesetzt wären, die keinen
ernsthaften Auslegungsspielraum lassen. Damit würde der in der ständigen
Rechtsprechung entwickelte besondere Schutz gegen Gesetze mit echter
Rückwirkung ebenso preisgegeben wie die Differenzierung zwischen
grundsätzlich unzulässiger echter und grundsätzlich zulässiger unechter
Rückwirkung.
4. Hält das Bundesverfassungsgericht - wie hier - eine rückwirkende
gesetzliche „Klarstellung“ für verfassungswidrig und nichtig, haben die
Fachgerichte die hiervon betroffenen Streitfälle nach der alten
Rechtslage durch Auslegung zu entscheiden. Die höchstrichterliche
Klärung durch den Bundesfinanzhof kann vorliegend ergeben, dass die Norm
so zu verstehen ist, wie es der Gesetzgeber nachträglich „klarstellen“
wollte.
Abweichende Meinung des Richters Masing:
Entgegen ihrem ersten Anschein betrifft die Entscheidung nicht
fachrechtliche Spezialprobleme, sondern grundsätzliche Fragen zur
Reichweite der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers für unklare,
offengebliebene Rechtsfragen der Vergangenheit - hier für
steuerrechtliche Abschreibungsmöglichkeiten von Verlusten, die
Finanzinstitute insbesondere in Folge der Anschläge des 11. September
2001 erlitten haben. In ihr liegt eine gravierende Störung der Balance
zwischen Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip zu Lasten des Parlaments.
1. Die Entscheidung entzieht dem Rückwirkungsverbot sein auf subjektive
Freiheitssicherung ausgerichtetes Fundament und ersetzt sie durch
abstrakte, in der Sache unzutreffende Vorstellungen der Gewaltenteilung.
Die Senatsmehrheit geht ausdrücklich davon aus, dass die Fachgerichte
auf Basis des ursprünglichen Rechts zum Ergebnis kommen können, dass §
8b Abs. 3 KStG in den hier in Rede stehenden Fällen anwendbar ist. Diese
Frage dürfe rückwirkend aber nicht der Gesetzgeber klären; die Klärung
sei allein den Fachgerichten vorbehalten. Dem Gesetzgeber wird so eine
Regelung verboten, die die Gerichte durch Auslegung ohne weiteres
herbeiführen dürfen. Damit wird die Verankerung des Rückwirkungsverbots
im Vertrauensschutz der Sache nach aufgehoben. Wenn hier überhaupt noch
eine Brücke zu irgendeiner Form von Vertrauen auszumachen ist, so kann
diese allenfalls in dem abstrakten Vertrauen in einen Vorrang der
Rechtsprechung durch die Fachgerichte gesucht werden. Geschützt wird das
Vertrauen in die Chance einer für die Betreffenden günstigen
Rechtsprechung. Gerade dies aber zeigt, wie weit sich die Entscheidung
von dem ursprünglichen Anliegen der Rückwirkungsrechtsprechung entfernt.
Galt die Rückwirkungsrechtsprechung zunächst dem Schutz des Vertrauens
zur Sicherung individueller Freiheitswahrnehmung, so gilt sie nun der
Durchsetzung objektiver Gewaltenteilungsvorstellungen und sichert ein
Reservat der Rechtsprechung gegenüber dem Gesetzgeber.
2. Das Verbot der echten Rückwirkung wird im Ergebnis zu einem
apriorischen Prinzip der Gewaltenteilung verselbständigt, das im
Grundgesetz keine Grundlage hat. Zu entscheiden, was Recht sein soll,
ist im demokratischen Rechtsstaat grundsätzlich Sache des Gesetzgebers,
der hierfür gewählt wird und sich in einem politischen Prozess vor der
Öffentlichkeit verantworten muss. Dies betrifft grundsätzlich auch die
Entscheidung über Probleme, die in der Vergangenheit wurzeln, oder die
Klärung von Streitfragen, die offengeblieben und lösungsbedürftig sind.
Die Vorstellung, der Gesetzgeber habe nur einen Versuch frei, dürfe dann
aber auf die im Laufe der Zeit aufkommenden Probleme bis zu einer
Neuregelung pro futuro keinen klärenden Zugriff mehr nehmen, hat in den
Legitimationsgrundlagen unserer Verfassungsordnung kein Fundament.
Selbstverständlich kann der Gesetzgeber nicht ohne Weiteres nachträglich
in bestands- oder rechtskräftig abgeschlossene Einzelverfahren
eingreifen oder für abgeschlossene Zeiträume ein Verhalten neu bewerten
und mit Sanktionen belegen, mit denen die Betreffenden nicht rechnen
mussten. Dies ist der zutreffende Kern der Rückwirkungsrechtsprechung.
Solche Einschränkungen des Gesetzgebers müssen sich aber jeweils mit
einem spezifischen Schutzbedürfnis der Betroffenen begründen lassen.
Die Entscheidung leuchtet zudem weder funktional noch praktisch ein:
Angesichts der immer komplexer werdenden Anforderungen an die
Gesetzgebung kann nicht ernsthaft erwartet werden, dass alle
Zweifelsfragen, Missverständnisse und sinnwidrigen Praktiken, die eine
Neuregelung hervorbringt, stets von vornherein überschaut werden können.
Eine rückwirkende Klarstellung durch den Gesetzgeber kann hier unter
Umständen mit einem Schlag unmittelbar alle offenen Streitfälle
einheitlich lösen und Rechtssicherheit schaffen. Als Folge der
Entscheidung müssen demgegenüber nun alle angefallenen Zweifelsfälle -
gegebenenfalls mit hohen Kosten und über lange Zeiträume vor Gericht
durch die Instanzen prozessiert werden. Hierbei haben die Gerichte nach
dem vom Gesetzgeber gemeinten Sinn zu suchen und sehen sich unter
Umständen zu demokratisch nicht angeleiteten Setzungen eigener
Gerechtigkeitsvorstellungen genötigt.
3. In der Entscheidung liegt zugleich eine tiefgreifende Wende der
Rückwirkungsrechtsprechung. Zwar knüpft die Entscheidung an Obersätze
an, die der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
entnommen sind und entwickelt diese seinem Selbstverständnis nach nur
präzisierend fort. Der Sache nach aber löst sie diese dabei aus ihrem
bisherigen Kontext und gibt ihnen eine neue Bedeutung, die mit den
Wertungen der bisherigen Entscheidungen des Gerichts bricht.
Eine Durchsicht der bisherigen Rechtsprechung zeigt, dass das
Bundesverfassungsgericht mit der Aufhebung von Gesetzen wegen Verstoßes
gegen das Rückwirkungsverbot bisher sehr zurückhaltend und immer streng
auf den Schutz eines konkreten Vertrauens bedacht war. Noch nie ist eine
Regelung aufgehoben worden, ohne dass Vertrauen auf eine Rechtslage
enttäuscht wurde, die geeignet war, als Grundlage für individuelle
Dispositionen zu dienen. Dies gilt insbesondere auch für Fälle, in denen
sich der Gesetzgeber auf eine „authentische Interpretation“ berief.
Dabei wurde gerade in jüngerer Zeit ein solches Vertrauen selbst dann
verneint, wenn eine höchstgerichtliche, durch den Gesetzgeber geänderte
Rechtsprechung vorlag. Warum diese Kriterien, die dort in Bezug auf
bestimmte Rentner und Beamte zum Tragen kam, gegenüber den Banken in
einem weithin spekulativen Geschäftsbereich nicht zur Anwendung kommen
sollen, ist nicht einleuchtend.
Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein konsequentes Abstellen auf
das Vertrauenskriterium den Grundsatz des Verbots echt rückwirkender
Gesetze und die Schutzstandards der Rechtsprechung preisgebe, weil dann
unter beliebiger Berufung auf Klärungsbedarf gesetzliche Entscheidungen
nachträglich umgedreht werden könnten. Denn aus der
Auslegungsbedürftigkeit des Rechts lässt sich nicht herleiten, dass
gesetzliche Grundentscheidungen und die zu ihrer Umsetzung getroffenen
Bestimmungen in aller Regel unbegrenzt auslegungsoffen sind und unsere
Rechtsordnung schon grundsätzlich nicht in der Lage ist, konkretes
Vertrauen in bestimmte Rechtsfolgen zu begründen oder Grundlagen zu
schaffen, auf die sich Dispositionen stützen lassen. Immer, aber auch
nur dann, wenn eine solches Vertrauen besteht, hat das
Rückwirkungsverbot seine Berechtigung.
4. Die streitbefangenen Normen geben auch sachlich keinen Anlass, von
einem Vertrauen der klagenden Banken in die steuerrechtliche
Berücksichtigung ihrer Verluste auszugehen. Es ist wenig wahrscheinlich,
dass der Gesetzgeber Gewinne aus Anteilen an Investmentfonds von Steuern
freistellen, hiermit verbundene Verluste aber steuermindernd anerkennen
wollte. Dass eine solche Lösung schon ursprünglich nicht intendiert war,
ist bei sachgerechter Auslegung jedenfalls naheliegend - jedenfalls aber
konnten die Banken auf eine solche Auslegung keine Dispositionen stützen
konnten. Wenig einleuchtend sind auch die in der Entscheidung ergänzend
herangezogenen Abgrenzungskriterien für die Anerkennung von Ausnahmen.
Verfassungsrechtlich zulässig sei eine rückwirkende Regelung nur, wenn
die alte Regelung zu einer durchgreifend unverständlichen oder
verworrenen Rechtslage geführt hätte. Danach darf der Gesetzgeber also
das, was er als Redaktionsfehler ansieht, hier deshalb nicht selbst
klären, weil der Fehler zu geringfügig war; hätte er gravierendere und
größere Verwirrung stiftende Fehler begangen, wäre dies hingegen
möglich. Solche Abgrenzungen überzeugen nicht.
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