Der in den früheren Bremischen und Saarländischen
Vergnügungsteuergesetzen enthaltene Stückzahlmaßstab für Spielautomaten
mit Gewinnmöglichkeit ist verfassungswidrig und nur bis zum 31. Dezember
2005 anwendbar. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts
mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden. Die Weitergeltung der
Vorschriften kommt nur bis zu dem Zeitpunkt in Betracht, an dem die
Normgeber aufgrund der im April 2005 erfolgten Rechtsprechungsänderung
des Bundesverwaltungsgerichts erkennen mussten, dass ein
Stückzahlmaßstab nicht verfassungsgemäß ist. Eine etwa sechsmonatige
Frist zur Umsetzung war einzuräumen; ein Zuwarten bis zur
Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum
Hamburgischen Vergnügungsteuergesetz aus dem Jahr 2009 ist hingegen
nicht gerechtfertigt.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Beteiligte des Ausgangsverfahrens zur Vorlage 1 BvL 11/10 sind eine
bremische Spielhallenbetreiberin und das Finanzamt. Diese streiten um
die Vergnügungsteuerfestsetzung für die Monate Dezember 2007 bis Februar
2009. Nach dem im maßgeblichen Zeitraum geltenden Bremischen
Vergnügungsteuergesetz unterlag unter anderem der Betrieb von
Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit der Vergnügungsteuer. Die
Besteuerung richtete sich nach der Anzahl der aufgestellten Automaten.
Seit dem 1. Januar 2010 ist das Gesetz geändert; die Steuer wird anhand
eines Prozentsatzes des Einspielergebnisses bemessen.
Beteiligte des Ausgangsverfahrens zur Vorlage 1 BvL 14/10 sind ein
saarländischer Spielhallenbetreiber und der Bürgermeister der Gemeinde,
in der die Spielhalle liegt. Diese streiten über die
Vergnügungsteuerfestsetzung für die Monate Januar bis Dezember 2007. Das
im hier maßgeblichen Zeitraum geltende Saarländische
Vergnügungsteuergesetz ermächtigte die Gemeinden unter anderem zur
Erhebung einer Vergnügungsteuer für das Halten von Spielapparaten in
Spielhallen. Die Höhe der Steuer konnte durch gemeindliche Satzung bis
zu gesetzlich festgelegten Maximaltarifen festgelegt werden. Seit dem 1.
März 2013 wird die Vergnügungsteuer für Apparate mit Gewinnmöglichkeit
anhand eines Prozentsatzes des Einspielergebnisses bemessen.
Wesentliche Erwägungen des Senats:
§ 3 Abs. 1 des Bremischen Vergnügungsteuergesetzes und § 14 Abs. 1 des
Saarländischen Vergnügungsteuergesetzes in der für das jeweilige
Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung verletzen - soweit sie
Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit betreffen - den allgemeinen
Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
1. Das Bundesverfassungsgericht hat die Maßstäbe für die Anwendung des
Gleichheitssatzes auf die Spielgerätesteuer bereits geklärt (Beschluss
vom 4. Februar 2009 - 1 BvL 8/05 -, BVerfGE 123, 1; vgl. hierzu auch
Pressemitteilung Nr. 45/2009 vom 28. April 2009). Es ist kein
Gesichtspunkt vorgetragen oder ersichtlich, der zu einer abweichenden
Bewertung Anlass gäbe.
2. Die vorgelegten Vorschriften halten einer Prüfung anhand dieser
verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht stand. Es besteht keine tragfähige
Rechtfertigung dafür, statt des auf den Vergnügungsaufwand der einzelnen
Spieler bezogenen Wirklichkeitsmaßstabs einen an der Automatenstückzahl
orientierten pauschalierenden Ersatzmaßstab für die Besteuerung zu
verwenden.
3. Die vorgelegten Vorschriften können nur bis zum 31. Dezember 2005
angewendet werden.
a) Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der
Regel zu ihrer Nichtigkeit. Etwas anderes gilt regelmäßig dann, wenn der
Verfassungsverstoß seine Ursache in einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1
GG hat. In diesen Fällen erklärt das Bundesverfassungsgericht die
Vorschrift grundsätzlich für unvereinbar mit dem Grundgesetz, weil der
Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den Verfassungsverstoß zu
beseitigen. Das Bundesverfassungsgericht kann die zeitweilige
Fortgeltung der für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärten Norm
anordnen, wenn die hierfür sprechenden verfassungsrechtlichen Belange
überwiegen.
b) Für die befristete Fortgeltung der vorgelegten Normen bis zum 31.
Dezember 2005 sprechen zum einen Erfordernisse einer verlässlichen
Finanz- und Haushaltsplanung der Freien Hansestadt Bremen und des
Saarlands. Zum anderen erscheint die Belastung der Automatenhalter durch
die Anwendung des Stückzahlmaßstabs relativ gering. Durch die
verfassungswidrige Gleichbehandlung im Steuersatz müssen sie nicht
notwendig benachteiligt werden, sondern können je nach den von ihnen im
Einzelfall erzielten Spielgeräteumsätzen auch einer vergleichsweise
günstigen Besteuerung unterliegen.
c) Die Normgeber in den Ausgangsverfahren durften sich jedoch nur bis
zur Rechtsprechungsänderung des Bundesverwaltungsgerichts durch die
Urteile vom 13. April 2005 bei der Verwendung des Stückzahlmaßstabs im
Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung sehen. Danach
bestand Anlass zu überprüfen, ob die vom Bundesverwaltungsgericht
aufgestellten Voraussetzungen für die Beibehaltung des Stückzahlmaßstabs
in ihrem Zuständigkeitsgebiet vorlagen. Das Bundesverwaltungsgericht
hatte ausdrücklich klargestellt, dass ein Stückzahlmaßstab für
Spielgeräte nur noch mit der Verfassung zu vereinbaren ist, wenn
bestimmte Toleranzgrenzen eingehalten werden; eine Neuregelung der
Spielgerätesteuer dürfe aber nicht nur auf die Stückzahl abheben. Ob
diese Toleranzgrenzen eingehalten sind, haben die Freie Hansestadt
Bremen und das Saarland jedoch nicht geprüft und auch nicht sonst
dargelegt, warum sie am Stückzahlmaßstab festhielten. Der Freien
Hansestadt Bremen und dem Saarland war es auch möglich und zumutbar,
binnen etwa sechs Monaten nach der Rechtsprechungsänderung des
Bundesverwaltungsgerichts, also bis Ende des Jahres 2005, zu reagieren.
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