Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des
Bundesverfassungsgerichts eine Organklage der NPD gegen die FDP-Fraktion
im 17. Deutschen Bundestag und ihren damaligen Vorsitzenden Rainer
Brüderle als unzulässig verworfen. Der Antrag im Organstreitverfahren
richtet sich gegen Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit der
FDP-Bundestagsfraktion im Jahr 2012. Nach dem Ausscheiden der FDP aus
dem Deutschen Bundestag fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis
für die begehrten Feststellungen.
Wesentliche Erwägungen des Senats:
1. Der Antrag richtet sich gegen Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit der
FDP-Fraktion im 17. Deutschen Bundestag. Ihr damaliger Vorsitzender
versandte im Frühjahr sowie im November 2012 an zahlreiche Haushalte im
gesamten Bundesgebiet Schreiben, in denen es um den Abbau der
Staatsverschuldung und weitere wirtschaftspolitische Positionen ging.
Die FDP-Fraktion ließ in diesen Zeiträumen bundesweit in einer Reihe von
Kinos zwei Kurzfilme mit Aussagen zu verschiedenen politischen Themen
zeigen. Die Antragstellerin hält die Briefe und die Kinospots für
unzulässige Wahlwerbung zugunsten der FDP als Partei und sieht sich
hierdurch in ihrem Recht auf Neutralität des Staates im Wahlkampf sowie
in ihrem Recht auf Chancengleichheit der politischen Parteien (Art. 21
Abs. 1 GG) verletzt.
2. Der Antrag ist unzulässig. Der Antragstellerin fehlt nach dem
Ausscheiden der FDP aus dem Deutschen Bundestag mit Ende der 17.
Wahlperiode und der damit verbundenen Liquidation der FDP-Fraktion das
im Organstreitverfahren erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Der
Organstreit ist eine kontradiktorische Parteistreitigkeit mit
Antragsteller und Antragsgegner und kein objektives Verfahren. Er dient
maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von
Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem
Verfassungsrechtsverhältnis, nicht der davon losgelösten Kontrolle der
objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns. Die
Antragsgegner sind nicht mehr im Deutschen Bundestag vertreten. Das
Organstreitverfahren hat sich daher, da es die konkrete
Öffentlichkeitsarbeit der FDP-Bundestagsfraktion während der früheren
Wahlperiode betrifft, erledigt. Es besteht kein Rechtsschutzbedürfnis
für eine - ausschließlich retrospektive - Feststellung der Verletzung
organschaftlicher Rechte. Vielmehr bedürfte es eines darüber
hinausgehenden Interesses an der Klärung der aufgeworfenen
verfassungsrechtlichen Auslegungsfrage.
Die Antragstellerin kann ihr Rechtsschutzbedürfnis nicht aus einer
absehbaren Wiederholungsgefahr herleiten. Insbesondere gibt es keinen
Anhalt dafür, dass die im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen
durch ihre Öffentlichkeitsarbeit unter Verstoß gegen die maßgeblichen
Rechtsvorschriften das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit
verletzen könnten. Soweit die Antragstellerin die Grenzen der
Öffentlichkeitsarbeit der Bundestagsfraktionen abstrakt für
klärungsbedürftig erachtet, mag dies zutreffen. Indes lassen sich diese
Grenzen im vorliegenden Organstreitverfahren nicht ohne eine
kontradiktorische, auch tatsächliche Umstände einbeziehende Erörterung
bestimmen, die grundsätzlich der mündlichen Verhandlung vorbehalten ist.
Eine sachgerechte abschließende Erörterung in mündlicher Verhandlung ist
hier jedoch im Hinblick auf das Ausscheiden der FDP-Fraktion aus dem
Deutschen Bundestag nicht mehr gewährleistet.
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