Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des
Bundesverfassungsgerichts Verfassungsbeschwerden gegen die Abgabe zur
Finanzierung des Deutschen Weinfonds und gegen eine landesrechtliche
Abgabe zur Förderung des rheinland-pfälzischen Weines zurückgewiesen.
Beide Regelungen sind kompetenzgemäß erlassen und genügen den
finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen an die Erhebung von
Sonderabgaben mit Finanzierungszweck.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführer sind Weinkellereien und Winzer. Sie wenden sich
gegen die Erhebung der Sonderabgabe zur Finanzierung des Deutschen
Weinfonds, der Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 1140/12 darüber
hinaus gegen die Erhebung der Sonderabgabe für die gebietliche
Absatzförderung in Rheinland-Pfalz. Die mit den Verfassungsbeschwerden
angegriffenen Bescheide betreffen unterschiedliche Zeiträume in den
Jahren 2008 bzw. 2009. Vor den Verwaltungsgerichten blieben die
hiergegen gerichteten Klagen in allen Instanzen erfolglos.
2. Der Deutsche Weinfonds ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts,
deren Aufgabenschwerpunkt bei der Qualitäts- und Absatzförderung für
Wein und sonstige Erzeugnisse des Weinbaus liegt (§ 37 Abs. 1 des
Weingesetzes - WeinG). Zur Finanzierung seiner Tätigkeit wird nach § 43
Abs. 1 WeinG die „Abgabe für den Deutschen Weinfonds“ erhoben. Winzer
haben eine sog. Flächenabgabe in Höhe von 0,67 Euro je Ar der
Weinbergsfläche, Abfüller und Auslandsvermarkter inländischen Weines
eine sog. Mengenabgabe in Höhe von 0,67 Euro je 100 Liter zu entrichten.
Im Jahr 2009 betrug das Aufkommen aus der Abgabe 11 Millionen Euro. Zur
Erfüllung seiner Aufgaben bedient sich der Deutsche Weinfonds dreier
Gesellschaften mit beschränkter Haftung: des Deutschen Weininstituts,
der Deutschen Weinakademie und der Weinwerbe GmbH.
3. Das Land Rheinland-Pfalz erhebt von den Eigentümern oder
Nutzungsberechtigten der Weinbergsflächen im Landesgebiet eine
zusätzliche Abgabe auf Grundlage von § 1 des rheinland-pfälzischen
Absatzförderungsgesetzes Wein (AbföG Wein). Je nach Anbaugebiet beträgt
diese jährlich 0,77 oder 0,87 Euro je Ar. Die Einnahmen aus der Abgabe -
jährlich rund 5 Millionen Euro - dürfen nur zur Förderung des Absatzes
von in Rheinland-Pfalz erzeugten Weinen verwendet werden.
Wesentliche Erwägungen des Senats:
1. Die Abgabe für den Deutschen Weinfonds ist mit dem Grundgesetz
vereinbar.
a) Die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung dieser Sonderabgabe folgt
aus den Sachzuständigkeiten des Bundes für die Förderung der
landwirtschaftlichen Erzeugung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG) und das Recht
der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG); diese Kompetenzgrundlagen
tragen jedenfalls in ihrer Kombination die getroffenen Regelungen.
Soweit auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zurückzugreifen ist, liegen die
Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG für die Inanspruchnahme der
Bundeskompetenz vor. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass eine
wirksame und koordinierte Absatzförderung, die auch der Exportwirtschaft
Absatzmärkte erschließen können soll, eine Bundesregelung erforderlich
macht.
b) Die gesetzlichen Regelungen zur Erhebung und Verwendung der
bundesrechtlichen Weinabgabe genügen den - nachfolgend angesprochenen -
finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen an die Erhebung von
Sonderabgaben mit Finanzierungszweck (Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art.
105 GG und Art. 110 GG).
aa) Mit der Abgabe werden über die bloße Mittelbeschaffung hinausgehende
Sachzwecke verfolgt. Aus dem Abgabeaufkommen sollen unter anderem die
Qualität des Weins sowie der Absatz des Weins und sonstiger Erzeugnisse
des Weinbaus gefördert werden (§ 37 Abs. 1 Nr. 1 WeinG).
bb) Die Belastung mit der Abgabe trifft eine homogene Gruppe.
Dass Weinerzeuger und Weinabfüller sich als Verkäufer und Abnehmer mit
naturgemäß gegenläufigen Interessen begegnen, ist unschädlich. Die
Homogenität einer Gruppe wird durch Konkurrenz oder sonstige
Interessengegensätze zwischen Gruppenangehörigen nicht in Frage
gestellt, sofern zugleich ein gemeinsames Interesse im Hinblick auf den
Abgabenzweck besteht. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen
Betrieben auf unterschiedlichen Stufen der Herstellung und Vermarktung
eines Endprodukts.
Die Gruppenhomogenität kann nicht durch Hinweise darauf in Abrede
gestellt werden, dass Abfüller ein geringeres Interesse an
herkunftsbezogener Werbung hätten oder einzelne Abfüllbetriebe
vorwiegend Verschnitte im Niedrigpreissegment verarbeiteten. Die
herkunftsbezogene Gemeinschaftswerbung erfasst nach den vorliegenden
Zahlen etwa 95 Prozent der im Inland abgesetzten Produkte und einen
nicht unerheblichen Teil der exportierten Weine. Zudem ist davon
auszugehen, dass ein durch erfolgreiche gebietsbezogene Absatzförderung
erzielter Imagegewinn auch auf die nicht unmittelbar beworbenen Weine
abfärbt.
Gesichtspunkte der Abwälzbarkeit der Abgabenlast sprechen ebenfalls
nicht gegen die Homogenität der abgabebelasteten Gruppe.
Verfassungsrechtlich relevant wären solche Gesichtspunkte nur, wenn die
Überwälzung auf Dritte keine bloße marktabhängige Möglichkeit, sondern
die rechtlich vorbereitete und vorgesehene Regelfolge der
Abgabenbelastung wäre. Davon kann hier keine Rede sein.
cc) Die Gruppe der Abgabepflichtigen trifft eine besondere
Finanzierungsverantwortung, und das Abgabeaufkommen wird gruppennützig
verwendet.
(1) Nach dem unbestrittenen Vortrag der Bundesregierung weisen der
Weinmarkt und die Marktsituation des deutschen Weins Besonderheiten auf,
die die Annahme rechtfertigen, dass Werbe- und sonstige
Absatzförderungsmaßnahmen notwendig und auf privatunternehmerischer
Basis nicht mit annähernd vergleichbarer Erfolgsaussicht möglich sind.
Wein wird in weit höherem Maße als die Mehrheit anderer Agrarprodukte in
Abhängigkeit von der Herkunft gekauft. Daneben spielt die Rebsorte eine
wichtige Rolle. Verglichen mit den meisten anderen Lebensmitteln
unterliegen die für Wein erzielbaren Preise einer ungewöhnlichen
Spreizung in Abhängigkeit von Qualität und Image. Eine quantitative
Steigerung scheidet schon angesichts der bestehenden
Mengenbeschränkungen als Erfolgsweg für die deutsche Weinwirtschaft aus.
Stattdessen liegen die Entwicklungsspielräume in Qualitäts- und
Imageverbesserungen und der hierdurch ermöglichten Erzielung höherer
Preise.
Unter diesen Bedingungen kommt dem in zahlreichen Stellungnahmen
hervorgehobenen Umstand besondere Bedeutung zu, dass der deutsche Wein
im Vergleich zu Wein aus anderen Weinbaunationen unter Imagenachteilen
leidet, die unter anderem durch Produktionsqualitäten früherer
Jahrzehnte und den Glykolskandal der achtziger Jahre bedingt sind und
denen insoweit sinnvoll durch Maßnahmen der Absatzförderung
entgegengewirkt werden kann. Daher ist die Erfüllung der Aufgabe, die
Qualität und den Ruf des deutschen Weins insgesamt zu verbessern, für
die deutsche Weinwirtschaft besonders bedeutsam und ihr insgesamt
evident nützlich.
(2) Privatwirtschaftlich organisierte Qualitäts- und
Absatzförderungseinrichtungen wären zur Erreichung der Förderziele
deutlich weniger geeignet, weil angesichts der im Prinzip ohnehin allen
Betrieben zugutekommenden Tätigkeit solcher Einrichtungen der Anreiz für
die einzelbetriebliche Beteiligung nicht ausreicht, um eine ausreichende
Finanzierung nachhaltig und verlässlich zu sichern
(„Trittbrettfahrerproblem“).
Aus den unionsrechtlichen Vorgaben, denen eine abgabenfinanzierte
Absatzförderung unterliegt, ergeben sich keine Beschränkungen, die einer
ausreichend wirksamen Qualitäts- und Absatzförderung durch den Deutschen
Weinfonds entgegenstehen. Unzulässig ist insbesondere im Gebiet der
Europäischen Union zwar staatliche Werbung für „Deutschen Wein“. Nicht
ausgeschlossen ist aber Werbung mit gemeinschaftlich anerkannten
Bezeichnungen wie insbesondere geschützten Ursprungsbezeichnungen (g.
U.) und geschützten geografischen Angaben (g. g. A.); geworben werden
kann auch für Wein als solchen und für Produkte aus bestimmten
Rebsorten. Angesichts der besonderen Bedeutung von Herkunft und Rebsorte
für die Nachfrage nach Weinerzeugnissen und angesichts des hohen Anteils
entsprechend bewerbbarer Weine bestehen damit ausreichende Möglichkeiten
einer wirksamen gruppennützigen Verwendung des Abgabeaufkommens.
Zur praktischen Wirksamkeit einer abgabenfinanzierten Absatzförderung
können exakte, quantifizierte Nachweise nicht verlangt werden. Die
vorliegenden Daten sprechen deutlich gegen ein Wirksamkeitsdefizit.
(3) Schließlich fehlt es an der erforderlichen Gruppennützigkeit der
Mittelverwendung auch nicht deshalb, weil einzelne Teilgruppen daran
nicht in ausreichendem Maße teilhätten. Bereits von Verfassungs wegen
ist der Deutsche Weinfonds zu einer Mittelverwendung verpflichtet, die
auf ein angemessenes Verhältnis von Abgabenlast und Nutzen aus der
Mittelverwendung zielt. Einer zusätzlichen ausdrücklichen Verankerung
dieser Verpflichtung im einfachen Gesetz bedurfte es nicht. Angesichts
der Komplexität und Veränderlichkeit der Marktverhältnisse, von denen
die Wirkung absatzfördernder Maßnahmen abhängt, lag es nahe, insoweit
von näheren inhaltlichen Vorgaben abzusehen. Die angemessene
Berücksichtigung unterschiedlicher Interessen der abgabebelasteten
Teilgruppen ist durch die Zusammensetzung von Aufsichtsrat und
Verwaltungsrat im Weinfonds sowie durch die Einwirkungsmöglichkeiten des
zuständigen Ministeriums ausreichend gesichert.
dd) Die Abgabenregelung ist in der notwendigen Weise dokumentiert und
überprüft worden. Die Dokumentation muss nicht so beschaffen sein, dass
auf ihrer Grundlage die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der
Sonderabgabe überprüft werden kann.
c) Das Demokratieprinzip ist nicht verletzt. In der Zusammenschau ergibt
sich ein in personeller und sachlicher Hinsicht ausreichendes
Legitimationsniveau. Ein Defizit folgt nicht aus der Einschaltung der
Durchführungsgesellschaften, insbesondere nicht daraus, dass diese
formell nicht vom Deutschen Weinfonds beherrscht werden. § 37 Abs. 2
WeinG sieht ausdrücklich vor, dass der Deutsche Weinfonds sich bei der
Durchführung seiner Aufgaben der Einrichtungen der Wirtschaft bedienen
soll. Mit dieser Vorgabe, an der die Einschaltung der
Durchführungsgesellschaften und deren organisatorische Ausgestaltung
sich orientiert, hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die vom
Deutschen Weinfonds wahrzunehmenden Aufgaben, soweit es um die
Verwendung der Mittel aus der Weinabgabe geht, nicht bis in die
Einzelheiten der Durchführung hoheitlicher Art sind. Diese Einordnung
ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die
Gewährleistungsverantwortung für die zweckentsprechende und
gruppennützige Mittelverwendung verbleibt bei den demokratisch
legitimierten staatlichen Organen. Diese können die Mittelverwendung
über die - ministerieller Genehmigung bedürftigen - Wirtschaftspläne
steuern.
2. Auch die nach rheinland-pfälzischem Landesrecht erhobene zusätzliche
Abgabe ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Die landesrechtliche Abgabe
ist in wesentlichen Hinsichten der bundesrechtlichen Flächenabgabe
gleichartig. Gründe, sie in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht anders
als diese zu beurteilen, liegen nicht vor.
Für eine unverhältnismäßige, einen angemessenen Gruppennutzen
ausschließende Belastung durch das Zusammenkommen der bundesrechtlichen
und der landesrechtlichen Abgabepflicht ist angesichts der jeweils
moderaten Höhe der die Weinerzeuger treffenden Abgaben, mit denen
jeweils ein eigener Nutzen erzielt wird, nichts ersichtlich.
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