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Pressemitteilung Nr. 14/2014 vom 26. Februar 2014


NPD-Versammlung in Trier am Holocaust-Gedenktag 2012 zu Unrecht untersagt

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig hat heute ent­schie­den, dass die Stadt Trier zu Un­recht an­ge­ord­net hat, eine für den 27. Ja­nu­ar 2012 an­ge­mel­de­te Ver­samm­lung der NPD dürfe nicht an die­sem Tag statt­fin­den.

Die an­ge­mel­de­te Ver­samm­lung soll­te unter dem Motto ste­hen „Von der Fi­nanz- zur Eu­ro­kri­se - zu­rück zur D-Mark heißt un­se­re De­vi­se!“. Als An­lass der Ver­samm­lung war an­ge­ge­ben, ein Bör­sen­ex­per­te halte am sel­ben Tag im Bi­schöf­li­chen Pries­ter­se­mi­nar einen Vor­trag zu dem Thema „Von der Fi­nanz- zur Eu­ro­kri­se“. Die be­klag­te Stadt Trier ord­ne­te die Ver­le­gung der Ver­samm­lung vom 27. auf den 28. Ja­nu­ar an: Die Ver­samm­lung der NPD am 27. Ja­nu­ar, dem Ho­lo­caust-Ge­denk­tag, sei als Pro­vo­ka­ti­on zu be­wer­ten, durch die grund­le­gen­de so­zia­le und ethi­sche An­schau­un­gen und Emp­fin­dun­gen ver­letzt wür­den. Die NPD sei nach ihrem ei­ge­nen Selbst­ver­ständ­nis dem rechts­ex­tre­men po­li­ti­schen Spek­trum zu­zu­ord­nen. Sie lasse in der öf­fent­li­chen Wahr­neh­mung die not­wen­di­ge Dis­tanz zu dem Un­rechts­re­gime ver­mis­sen, das die Opfer zu ver­ant­wor­ten habe, derer am 27. Ja­nu­ar ge­dacht wer­den solle. Nicht ent­schei­dend sei, dass das Motto der Ver­samm­lung sich nicht mit den Op­fern des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus aus­ein­an­der­set­ze.

Das Ver­wal­tungs­ge­richt Trier hat die Klage der NPD auf Fest­stel­lung der Rechts­wid­rig­keit die­ser ver­samm­lungs­recht­li­chen Ver­fü­gung ab­ge­wie­sen, das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ko­blenz hat die Be­ru­fung der NPD zu­rück­ge­wie­sen: Die öf­fent­li­che Ord­nung sei un­mit­tel­bar ge­fähr­det ge­we­sen. Von der Ver­samm­lung wäre eine das sitt­li­che Emp­fin­den der Bür­ger er­heb­lich be­ein­träch­ti­gen­de Pro­vo­ka­ti­ons­wir­kung aus­ge­gan­gen. Die Klä­ge­rin habe das von ihr an­ge­ge­be­ne Thema der Ver­samm­lung le­dig­lich als Auf­hän­ger ge­wählt, wäh­rend die da­hin­ter ste­hen­de Mo­ti­va­ti­on von der Be­völ­ke­rung darin ge­se­hen wor­den wäre, an einem zen­tra­len Ort in der In­nen­stadt Prä­senz zu zei­gen und nach außen zu do­ku­men­tie­ren, dass man als rechts­ex­tre­me Par­tei trotz des Ho­lo­caust-Ge­denk­tags „Flag­ge zei­gen“ könne.

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat der Re­vi­si­on der Klä­ge­rin statt­ge­ge­ben. § 15 Abs. 1 Ver­samm­lungs­ge­setz (VersG) er­laubt Ver­samm­lungs­be­schrän­kun­gen bei un­mit­tel­ba­rer Ge­fähr­dung der öf­fent­li­chen Ord­nung. Eine sol­che ist ge­ge­ben, wenn einem be­stimm­ten Tag - wie dem Ho­lo­caust-Ge­denk­tag - ein in der Ge­sell­schaft ein­deu­ti­ger Sinn­ge­halt mit ge­wich­ti­ger Sym­bol­kraft zu­kommt, der bei der Durch­füh­rung einer Ver­samm­lung an die­sem Tag in einer Weise an­ge­grif­fen zu wer­den droht, dass da­durch zu­gleich grund­le­gen­de so­zia­le oder ethi­sche An­schau­un­gen in er­heb­li­cher Weise ver­letzt wür­den. Nicht aus­rei­chend ist je­doch, dass die Durch­füh­rung der Ver­samm­lung an dem Ge­denk­tag in ir­gend­ei­nem be­lie­bi­gen Sinne als dem Ge­den­ken zu­wi­der­lau­fend be­ur­teilt wer­den könn­te. Viel­mehr ist die Fest­stel­lung er­for­der­lich, dass von der kon­kre­ten Art und Weise der Durch­füh­rung der Ver­samm­lung Pro­vo­ka­tio­nen aus­ge­hen wür­den, die das sitt­li­che Emp­fin­den der Bür­ger er­heb­lich be­ein­träch­tig­ten. Eine sol­che Fest­stel­lung setzt vor­aus, dass die Ver­samm­lung eine den Um­stän­den nach ein­deu­ti­ge Stoß­rich­tung gegen das Ge­den­ken er­ken­nen lässt, etwa weil sie die Sinn­haf­tig­keit oder die Wer­tig­keit des Ge­den­kens ne­giert oder in an­de­rer Weise dem An­spruch der Mit­bür­ger ent­ge­gen­wirkt, sich un­ge­stört dem Ge­den­ken an die­sem Tag wid­men zu kön­nen. Diese Schwel­le war durch die von der Klä­ge­rin ge­plan­te Ver­samm­lung noch nicht über­schrit­ten. Die Ver­samm­lung soll­te ein ak­tu­el­les all­ge­mein-po­li­ti­sches Thema auf­grei­fen und die hier­zu ent­wi­ckel­ten pro­gram­ma­ti­schen Vor­stel­lun­gen der Klä­ge­rin kund­tun. Für die An­nah­me des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der Klä­ge­rin sei es in Wahr­heit le­dig­lich um eine - dem Ge­denk­an­lie­gen der Mit­bür­ger de­mons­tra­tiv ent­ge­gen wir­ken­de - öf­fent­li­che Prä­senz um ihrer selbst wil­len ge­gan­gen, lie­gen schon keine hin­rei­chen­den tat­säch­li­chen An­halts­punk­te vor.

BVerwG 6 C 1.13 - Ur­teil vom 26. Fe­bru­ar 2014

Vor­in­stan­zen:

OVG Ko­blenz 7 A 10821/12 - Ur­teil vom 06. De­zem­ber 2012

VG Trier 1 K 180/12.​TR - Ur­teil vom 31. Juli 2012


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