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Pressemitteilung Nr. 15/2014 vom 26. Februar 2014


Bundesverwaltungsgericht hält Regelung zur eingeschränkten Rückwirkung telekommunikationsrechtlicher Entgeltgenehmigungen für verfassungswidrig

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig hat heute ent­schie­den, dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt die Frage zur Ent­schei­dung vor­zu­le­gen, ob die in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 des Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­set­zes ge­trof­fe­ne Re­ge­lung zur Rück­wir­kung te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­recht­li­cher Ent­gelt­ge­neh­mi­gun­gen der Bun­des­netz­agen­tur mit der Ge­währ­leis­tung ef­fek­ti­ven Rechts­schut­zes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) und der Be­rufs­frei­heit (Art. 12 Abs. 1 GG) ver­ein­bar ist. Diese Frage stellt sich in einem Ver­fah­ren, in dem die kla­gen­de Deut­sche Te­le­kom AG die Ge­neh­mi­gung hö­he­rer mo­nat­li­cher Über­las­sungs­ent­gel­te für ein­zel­ne Va­ri­an­ten des Zu­gangs zur Teil­neh­mer­an­schluss­lei­tung für die Zeit vom 1. April 2005 bis zum 31. März 2007 be­gehrt.

Nach den ge­nann­ten Be­stim­mun­gen kann das Ge­richt im Wege der einst­wei­li­gen An­ord­nung die vor­läu­fi­ge Zah­lung eines von dem re­gu­lier­ten Un­ter­neh­men be­an­trag­ten hö­he­ren Ent­gelts an­ord­nen, wenn über­wie­gend wahr­schein­lich ist, dass der An­spruch auf die Ge­neh­mi­gung des hö­he­ren Ent­gelts be­steht. Ver­pflich­tet das Ge­richt die Bun­des­netz­agen­tur im spä­te­ren Haupt­sa­che­ver­fah­ren zur Er­tei­lung einer Ge­neh­mi­gung für ein hö­he­res Ent­gelt, so ent­fal­tet diese Ge­neh­mi­gung nur dann Rück­wir­kung, wenn eine sol­che vor­läu­fi­ge Zah­lungs­an­ord­nung er­gan­gen ist.

Nach Auf­fas­sung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts er­rich­ten diese Re­ge­lun­gen bei Ver­pflich­tungs­kla­gen, mit denen ein ent­gelt­re­gu­lier­tes Un­ter­neh­men die Ge­neh­mi­gung hö­he­rer Ent­gel­te er­strebt, in zahl­rei­chen Fäl­len eine prak­tisch un­über­wind­ba­re Hürde für die ge­richt­li­che Prü­fung des Rechts­schutz­be­geh­rens in tat­säch­li­cher und recht­li­cher Hin­sicht und neh­men dem Ge­richt die zur Ab­wen­dung bzw. Be­he­bung von Rechts­ver­let­zun­gen er­for­der­li­chen Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se. Denn die ge­richt­li­che Durch­setz­bar­keit des Ent­gelt­ge­neh­mi­gungs­an­spruchs des re­gu­lier­ten Un­ter­neh­mens ist nach Ab­lauf des je­wei­li­gen Ge­neh­mi­gungs­zeit­raums vom Aus­gang des einst­wei­li­gen Rechts­schutz­ver­fah­rens ab­hän­gig. Die­ses ist auf­grund sei­nes sum­ma­ri­schen Cha­rak­ters nur be­schränkt ge­eig­net, eine Klä­rung der Recht­mä­ßig­keit einer (Teil-)Ab­leh­nung eines Ent­gelt­ge­neh­mi­gungs­an­trags her­bei­zu­füh­ren, und wird viel­fach schon des­halb nicht zum Er­folg füh­ren kön­nen, weil die Re­gu­lie­rungs­be­hör­de über uni­ons­recht­lich vor­ge­ge­be­ne Be­ur­tei­lungs­spiel­räu­me ver­fügt. Ent­gelt­nach­for­de­run­gen des re­gu­lier­ten Un­ter­neh­mens sind damit in zahl­rei­chen Fäl­len auch dann nicht ge­richt­lich durch­setz­bar, wenn sich im Haupt­sa­che­ver­fah­ren her­aus­stellt, dass das von der Bun­des­netz­agen­tur ge­neh­mig­te Ent­gelt den ge­setz­lich ge­re­gel­ten Maß­stab der Kos­ten der ef­fi­zi­en­ten Leis­tungs­be­reit­stel­lung un­ter­schrei­tet. Im Er­geb­nis muss selbst ein ef­fi­zi­ent wirt­schaf­ten­des Un­ter­neh­men Leis­tun­gen, die es auf­grund der ihm auf­er­leg­ten Zu­gangs­ver­pflich­tung nicht ver­wei­gern darf, zu nicht kos­ten­de­cken­den Prei­sen er­brin­gen, so­weit der Ge­neh­mi­gungs­zeit­raum bis zum rechts­kräf­ti­gen Ab­schluss eines ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Ver­fah­rens be­reits ab­ge­lau­fen ist, was bei der in der Pra­xis der Bun­des­netz­agen­tur üb­li­chen Be­fris­tung auf ein bis zwei Jahre re­gel­mä­ßig der Fall sein wird.

Neben der Rechts­schutz­ge­währ­leis­tung schränkt die frag­li­che Re­ge­lung das von der Be­rufs­aus­übungs­frei­heit um­fass­te Recht des re­gu­lier­ten Un­ter­neh­mens, das Ent­gelt für be­ruf­li­che Leis­tun­gen mit dem In­ter­es­sen­ten aus­zu­han­deln, un­ver­hält­nis­mä­ßig ein. Im Er­geb­nis wird das re­gu­lier­te Un­ter­neh­men durch die Be­schrän­kung der Rück­wir­kung daran ge­hin­dert, die dem Maß­stab der Kos­ten der ef­fi­zi­en­ten Leis­tungs­be­reit­stel­lung ent­spre­chen­den Ent­gel­te zu er­he­ben. Es muss damit über die Ent­gelt­ge­neh­mi­gungs­pflicht hin­aus ein fi­nan­zi­el­les Son­der­op­fer zu Guns­ten der­je­ni­gen Wett­be­wer­ber er­brin­gen, die die re­gu­lier­te Leis­tung in An­spruch neh­men.

Das vom Ge­setz­ge­ber ver­folg­te Ziel des Schut­zes der Wett­be­wer­ber vor hohen Nach­zah­lun­gen und dem Er­for­der­nis ent­spre­chen­der Rück­stel­lun­gen kann nach Auf­fas­sung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts im Hin­blick auf die An­for­de­run­gen des Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­grund­sat­zes der­art weit­rei­chen­de Be­ein­träch­ti­gun­gen des Rechts­schut­zes und der Be­rufs­frei­heit des re­gu­lier­ten Un­ter­neh­mens nicht recht­fer­ti­gen. Es fehlt an einem an­ge­mes­se­nen Aus­gleich der wi­der­strei­ten­den In­ter­es­sen.

Da die Ent­schei­dung in dem vor­lie­gen­den Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von der Gül­tig­keit der be­an­stan­de­ten Re­ge­lun­gen ab­hängt, muss­te das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt das Ver­fah­ren aus­set­zen und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ein­ho­len.

BVerwG 6 C 3.13 - Be­schluss vom 26. Fe­bru­ar 2014

Vor­in­stanz:

VG Köln 1 K 3138/05 - Ur­teil vom 13. De­zem­ber 2012


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