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Pressemitteilung Nr. 16/2014 vom 27. Februar 2014


Beamtenrechtliches Streikverbot beansprucht weiterhin Geltung; Gesetzgeber muss die Kollision mit der Europäischen Menschenrechtskonvention auflösen

Be­am­te­te Leh­rer dür­fen sich auch wei­ter­hin nicht an Streiks be­tei­li­gen, zu denen die Ge­werk­schaf­ten ihre an­ge­stell­ten Kol­le­gen auf­ru­fen. Dies hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig heute ent­schie­den.

Die Klä­ge­rin, eine Leh­re­rin, die in einem Be­am­ten­ver­hält­nis auf Le­bens­zeit mit dem be­klag­ten Land stand, blieb im Jahr 2009 drei­mal dem Un­ter­richt fern, um an Warn­streiks teil­zu­neh­men, zu denen die Ge­werk­schaft GEW wäh­rend der auch von ihr ge­führ­ten Ta­rif­ver­hand­lun­gen auf­ge­ru­fen hatte. Die Ge­werk­schaft woll­te ihrer For­de­rung nach einer Ge­halts­er­hö­hung von 8 % und deren an­schlie­ßen­der Über­nah­me in die Be­am­ten­be­sol­dung Nach­druck ver­lei­hen. Die Klä­ge­rin hatte ihr Fern­blei­ben der Schul­lei­te­rin an­ge­kün­digt, die sie auf das be­am­ten­recht­li­che Streik­ver­bot hin­ge­wie­sen hatte.

Die Be­klag­te ver­häng­te gegen die Klä­ge­rin durch Dis­zi­pli­nar­ver­fü­gung eine Geld­bu­ße von 1 500 € wegen un­er­laub­ten Fern­blei­bens vom Dienst. Die An­fech­tungs­kla­ge ist in der Be­ru­fungs­in­stanz vor dem Ober­ver­wal­tungs­ge­richt er­folg­los ge­blie­ben. Die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt dem Grun­de nach zu­rück­ge­wie­sen; es hat je­doch die Geld­bu­ße auf 300 € er­mä­ßigt. Der Ent­schei­dung lie­gen fol­gen­de Er­wä­gun­gen zu­grun­de:

Nach deut­schem Ver­fas­sungs­recht gilt für alle Be­am­ten un­ab­hän­gig von ihrem Tä­tig­keits­be­reich ein ge­ne­rel­les sta­tus­be­zo­ge­nes Streik­ver­bot, das als her­ge­brach­ter Grund­satz im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG Ver­fas­sungs­rang ge­nießt. Die­ses Streik­ver­bot gilt auch für Be­am­te au­ßer­halb des en­ge­ren Be­reichs der Ho­heits­ver­wal­tung, der nach Art. 33 Abs. 4 GG in der Regel Be­am­ten vor­be­hal­ten ist. In der deut­schen Rechts­ord­nung stellt das Streik­ver­bot einen we­sent­li­chen Be­stand­teil des in sich aus­ta­rier­ten spe­zi­fisch be­am­ten­recht­li­chen Ge­fü­ges von Rech­ten und Pflich­ten dar. Es ist Sache der Dienst­her­ren, diese Rech­te und Pflich­ten unter Be­ach­tung ins­be­son­de­re der ver­fas­sungs­recht­li­chen Bin­dun­gen zu kon­kre­ti­sie­ren und die Ar­beits­be­din­gun­gen der Be­am­ten fest­zu­le­gen.

Dem­ge­gen­über ent­nimmt der Eu­ro­päi­sche Ge­richts­hof für Men­schen­rech­te (EGMR) als au­then­ti­scher In­ter­pret der Eu­ro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on (EMRK) deren Art. 11 Abs. 1 ein Recht der Staats­be­diens­te­ten auf Ta­rif­ver­hand­lun­gen über die Ar­beits­be­din­gun­gen und ein daran an­knüp­fen­des Streik­recht. Diese Rech­te kön­nen von den Mit­glied­staa­ten des Eu­ro­pa­rats nach Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK nur für An­ge­hö­ri­ge der Streit­kräf­te, der Po­li­zei und der ho­heit­li­chen Staats­ver­wal­tung ge­ne­rell aus­ge­schlos­sen wer­den. Nach der Recht­spre­chung des EGMR ge­hö­ren nur sol­che Staats­be­diens­te­te - un­ab­hän­gig von ihrem Rechts­sta­tus - der ho­heit­li­chen Staats­ver­wal­tung an, die an der Aus­übung ge­nu­in ho­heit­li­cher Be­fug­nis­se zu­min­dest be­tei­ligt sind. Die deut­schen öf­fent­li­chen Schu­len und die dort un­ter­rich­ten­den, je nach Bun­des­land teils be­am­te­ten, teils ta­rif­be­schäf­tig­ten Lehr­kräf­te, ge­hö­ren nicht zur Staats­ver­wal­tung im Sinne der EMRK. Die Bun­des­re­pu­blik ist völ­ker­ver­trags- und ver­fas­sungs­recht­lich ver­pflich­tet, Art. 11 EMRK in sei­ner Aus­le­gung durch den EGMR in der deut­schen Rechts­ord­nung Gel­tung zu ver­schaf­fen.

Damit ent­hält die deut­sche Rechts­ord­nung der­zeit einen in­halt­li­chen Wi­der­spruch in Bezug auf das Recht auf Ta­rif­ver­hand­lun­gen und das Streik­recht der­je­ni­gen Be­am­ten, die au­ßer­halb der ho­heit­li­chen Staats­ver­wal­tung tätig sind. Zur Auf­lö­sung die­ser Kol­li­si­ons­la­ge zwi­schen deut­schem Ver­fas­sungs­recht und der EMRK ist der Bun­des­ge­setz­ge­ber be­ru­fen, der nach Art. 33 Abs. 5, Art. 74 Nr. 27 GG das Sta­tus­recht der Be­am­ten zu re­geln und fort­zu­ent­wi­ckeln hat. Hier­für ste­hen ihm vor­aus­sicht­lich ver­schie­de­ne Mög­lich­kei­ten offen. So könn­te er etwa die Be­rei­che der ho­heit­li­chen Staats­ver­wal­tung, für die ein ge­ne­rel­les Streik­ver­bot gilt, be­stim­men und für die an­de­ren Be­rei­che der öf­fent­li­chen Ver­wal­tung die ein­sei­ti­ge Re­ge­lungs­be­fug­nis der Dienst­her­ren zu­guns­ten einer er­wei­ter­ten Be­tei­li­gung der Be­rufs­ver­bän­de der Be­am­ten ein­schrän­ken. Die Zu­er­ken­nung eines Streik­rechts für die in die­sen Be­rei­chen tä­ti­gen Be­am­ten würde einen Be­darf an Än­de­run­gen an­de­rer, den Be­am­ten güns­ti­ger Re­ge­lun­gen, etwa im Be­sol­dungs­recht, nach sich zie­hen.

Für die Über­gangs­zeit bis zu einer bun­des­ge­setz­li­chen Re­ge­lung ver­bleibt es bei der Gel­tung des ver­fas­sungs­un­mit­tel­ba­ren Streik­ver­bots. Hier­für ist von Be­deu­tung, dass den Ta­rif­ab­schlüs­sen für die Ta­rif­be­schäf­tig­ten des öf­fent­li­chen Diens­tes auf­grund des Ali­men­ta­ti­ons­grund­sat­zes nach Art. 33 Abs. 5 GG maß­ge­ben­de Be­deu­tung für die Be­am­ten­be­sol­dung zu­kommt. Die Be­sol­dungs­ge­setz­ge­ber im Bund und in den Län­dern sind ver­fas­sungs­recht­lich ge­hin­dert, die Be­am­ten­be­sol­dung von der Ein­kom­mens­ent­wick­lung, die in den Ta­rif­ab­schlüs­sen zum Aus­druck kommt, ab­zu­kop­peln.

BVerwG 2 C 1.13 - Ur­teil vom 27. Fe­bru­ar 2014

Vor­in­stan­zen:

OVG Müns­ter 3d A 317/11.O - Ur­teil vom 07. März 2012

VG Düs­sel­dorf 31 K 3904/10.O - Ur­teil vom 15. De­zem­ber 2010


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