Insolvenzrecht und Sanierung

insolvenzrecht

INSOLVENZRECHT UND SANIERUNG

  • Insolvenzantrag (Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung)

  • Unternehmensinsolvenz (Fortbestehungsprognose, Überschuldungsstatus)

  • Gläubigerrechte, Aussonderung, Absonderung

  • Schuldenbereinigung

  • Sanierungskonzept


Insolvenzrecht

DeutscheAnwaltAkademie

Zertifikat Intensivkurs Insolvenzrecht der DeutschenAnwaltAkademie

Am 1. Januar 1999 ist die Insolvenzordnung (InsO) in Kraft getreten. Sie löste die bis dahin geltende Konkursordnung von 1877 ab.

Das Insolvenzverfahren dient der gemeinschaftlichen und geordneten Befriedigung der Gläubiger (Insolvenzgläubiger) eines insolventen Schuldners. Hierfür wird regelmäßig das noch vorhandene Vermögen des Schuldners (Insolvenzmasse) verwertet und der Erlös hieraus an die Gläubiger möglichst gleichmäßig entsprechend ihrer jeweiligen Insolvenzquote verteilt (Liquidation). Der aus dem Zwangsvollstreckungsrecht bekannte Grundsatz „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!“ gilt im Insolvenzverfahren gerade nicht. Hier findet vielmehr eine Art „Gesamtvollstreckung“ in das Vermögen des Schuldners statt. Dadurch soll verhindert werden, dass einzelne Gläubiger ganz und andere Gläubiger gar nicht befriedigt werden. Aber auch bei einer angestrebten Zwangsvollstreckung sollte immer bedacht werden, ob überhaupt noch genügend Vermögen beim Schuldner vorhanden ist, in das vollstreckt werden kann.

Den schriftlichen Insolvenzantrag können sowohl die Gläubiger als auch der Schuldner beim örtlich und sachlich zuständigen Insolvenzgericht (Amtsgericht) stellen. Unzulässig soll jedoch der Antrag eines Gläubigers sein, dem ein sogenanntes Aussonderungsrecht zusteht, da er dieses auch ohne Rücksicht auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geltend machen kann und ihm somit das Rechtsschutzinteresse fehlt. Auch der Eigenantrag eines Schuldners kann mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig zurückgewiesen werden. Dies gilt vor allem dann, wenn das Gericht Anhaltspunkte sieht, die darauf hindeuten, dass der Schuldner vor seiner Antragstellung auf die Unaufklärbarkeit seiner Vermögensverhältnisse geradezu hingewirkt hat.

Der Schuldner hat seinem Antrag ein Gläubigerverzeichnis beizufügen. Im Falle eines noch nicht eingestellten Geschäftsbetriebs sollen die höchsten sowie die höchsten besicherten Forderungen und die Forderungen der Finanzverwaltung, der Sozialversicherungsträger sowie aus der betrieblichen Altersversorgung besonders kenntlich gemacht werden. Hinzu kommen Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres.

Das Insolvenzgericht wird das Insolvenzverfahren nur eröffnen, wenn zum Zeitpunkt seiner Entscheidung ein Eröffnungsgrund (Insolvenzgrund) vorliegt. Der allgemeine Eröffnungsgrund, der sowohl den Schuldner als auch die Gläubiger zur Antragstellung berechtigt, ist die Zahlungsunfähigkeit (Illiquidität) des Schuldners. Nach § 17 Absatz 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.

Von der Zahlungsunfähigkeit ist die Zahlungsstockung abzugrenzen. Hierfür ist festzustellen, ob zum Stichtag mehr als 90 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten durch liquide Mittel gedeckt sind und ob die Liquiditätslücke auch in den nächsten drei Wochen 10 % nicht überschreiten wird bzw. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass eine Liquiditätslücke von 10 % und mehr demnächst (fast) vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist. Für die Feststellung einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit in Abgrenzung zu einer vorübergehenden Zahlungsstockung sind also eine stichtagsbezogene Liquiditätsbilanz und eine Finanzplanung für die nächsten drei Wochen erforderlich.

Den spätesten Zeitpunkt für die Zahlungsunfähigkeit stellt im Allgemeinen die Zahlungseinstellung des Schuldners dar, die mehr sein muss als eine bloße Nichtzahlung oder regelmäßig verspätete Zahlungen. Dem objektiven Betrachter muss sich vielmehr der Eindruck aufdrängen, dass die Zahlungsmittel des Schuldners dauerhaft nicht ausreichen werden, um die fälligen Zahlungsverbindlichkeiten zu erfüllen. Die Zahlungseinstellung ist ein widerlegbares Indiz für die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Durch die Wiederaufnahme aller Zahlungen kann die Zahlungseinstellung beseitigt werden.

Die drohende Zahlungsunfähigkeit berechtigt allein den Schuldner, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Ein Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.

Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung ein Eröffnungsgrund. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Bei einer negativen Fortführungsprognose ist die Überschuldung durch die Gegenüberstellung von Aktivvermögen und Verbindlichkeiten zu ermitteln, wobei das Aktivvermögen mit seinen Liquidationswerten zu bewerten ist.

Eine Antragspflicht besteht für die Mitglieder des Vertretungsorgans und für die Abwickler von juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Die drohende Zahlungsunfähigkeit löst dagegen keine Antragspflicht aus. Bei einer führungslosen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder Aktiengesellschaft (AG) ist auch jeder Gesellschafter bzw. jedes Aufsichtsratsmitglied verpflichtet, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, es sei denn, dass diese Person von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis hat. Stellt eine antragspflichtige Person den Eröffnungsantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig (ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) gestellt, macht sie sich nach § 15 a Absatz 4 und 5 InsO strafbar.

Den Eröffnungsantrag wird das Insolvenzgericht mangels Masse abweisen müssen, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Eröffnet es aber das Insolvenzverfahren, so ernennt es einen Insolvenzverwalter. Auf diesen geht dann das Recht des Schuldners über, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen. Gegebenenfalls ordnet das Insolvenzgericht eine Postsperre an, wonach alle Postsendungen an den Schuldner dem Verwalter zuzuleiten sind. Bezüglich aller das Insolvenzverfahren betreffenden Verhältnisse trifft den Schuldner eine Auskunfts- und Mitteilungspflicht.

Unter bestimmten Voraussetzungen und auf Antrag des Schuldners ist dieser berechtigt, unter Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss anordnet.

Im Eröffnungsbeschluss werden die Gläubiger aufgefordert, dem Insolvenzverwalter innerhalb einer bestimmten Frist mitzuteilen, welche Forderungen und Gläubigerrechte sie gegen den Schuldner geltend machen (Anmeldung zur Tabelle). Sicherungsrechte an beweglichen Sachen oder Rechten des Schuldners müssen unverzüglich mitgeteilt werden. Der Insolvenzverwalter erstellt daraufhin eine Tabelle mit den angemeldeten Forderungen sowie das Gläubigerverzeichnis, in dem die absonderungsberechtigten Gläubiger und die einzelnen Rangklassen der nachrangigen Insolvenzgläubiger gesondert aufgeführt sind.

Der Eröffnungsbeschluss enthält auch den/die Termin/e für die Gläubigerversammlung. Zur Teilnahme sind alle absonderungsberechtigten Gläubiger, alle Insolvenzgläubiger, der Insolvenzverwalter, die Mitglieder des Gläubigerausschusses, soweit ein solcher bestellt ist, und der Schuldner berechtigt. Im Prüfungstermin werden die zur Tabelle angemeldeten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach geprüft und, soweit sie vom Insolvenzverwalter, vom Schuldner oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten werden, einzeln erörtert. Als festgestellt gilt eine Forderung, soweit gegen sie ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die insoweit festgestellte Forderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern.

Erst nach dem Prüfungstermin kann mit der Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch Verteilung der in der Insolvenzmasse vorhandenen Barmittel begonnen werden. Zuvor hat der Insolvenzverwalter das Verteilungsverzeichnis mit den bei der der Verteilung zu berücksichtigenden Forderungen aufzustellen und dem Insolvenzgericht die Summe der Forderungen und den für die Verteilung verfügbaren Betrag aus der Insolvenzmasse anzuzeigen, was dieses schließlich öffentlich bekannt zu geben hat. Für bestrittene Forderungen, die weder tituliert noch im Prüfungstermin zur Tabelle festgestellt worden sind, müssen die Insolvenzgläubiger innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung dem Insolvenzverwalter nachweisen, dass entweder Feststellungsklage erhoben oder ein durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenes Gerichtsverfahren wieder aufgenommen wurde, damit diese Forderung dennoch bei der Verteilung Berücksichtigung finden kann.

Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens können Gläubiger grundsätzlich ihre Forderungen, soweit sie nicht im Insolvenzverfahren quotal erfüllt worden sind, weiterhin geltend machen. Privatpersonen erhalten deshalb die Möglichkeit, sich von ihren Schulden zu befreien. Die Möglichkeit der Restschuldbefreiung gilt für alle Privatpersonen („Privatinsolvenz“) und somit nicht für juristische Personen (z. B. GmbH, AG, e. V.). Zu den Privatpersonen zählen aber nicht nur Verbraucher, sondern auch (ehemals) unternehmerisch tätige Schuldner, Freiberufler und andere Selbständige.

Um in den Genuss der Restschuldbefreiung zu gelangen, muss der Schuldner einen Antrag beim Insolvenzgericht stellen. Darin hat er zu erklären, dass er seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abtretungsfrist) abtritt. Ist der Antrag auf Restschuldbefreiung zulässig, stellt das Insolvenzgericht durch Beschluss fest, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er seinen Obliegenheiten nachkommt und keine Versagungsgründe (z. B. begangene Straftaten, Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten) vorliegen (sog. Wohlverhaltensphase). Zu seinen Obliegenheiten gehört unter anderem die Erwerbsobliegenheit. Das heißt, er muss eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben bzw. sich um eine solche bemühen und darf keine zumutbare Tätigkeit ablehnen, wenn er ohne Beschäftigung ist.

Am 1.Juli 2014 ist das „Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte“ in Kraft getreten. Seitdem ist eine Restschuldbefreiung für Privatpersonen auf Antrag sogar schon möglich, wenn nur drei Jahre der Abtretungsfrist verstrichen sind, der Schuldner die Kosten des Verfahrens begleicht und dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder innerhalb der drei Jahre ein Betrag zugeflossen ist, der eine Befriedigung der Forderungen der Insolvenzgläubiger in Höhe von mindestens 35 Prozent ermöglicht (sog. 35 %-Regelung). Kommt dieser Betrag nicht zusammen, begleicht der Schuldner aber wenigstens die Kosten des Verfahrens, dann besteht nach Verstreichen von fünf Jahren die Möglichkeit der Restschuldbefreiung auf Antrag des Schuldners.

Besonderheiten sind zu beachten, wenn der Insolvenzschuldner nicht nur eine Privatperson, sondern darüber hinaus auch als Verbraucher anzusehen ist („Verbraucherinsolvenz“). So muss sich zum Beispiel ein Verbraucher der amtlichen Formulare bedienen, um einen Insolvenzantrag zu stellen. Außerdem darf er nur dann selbst einen Insolvenzantrag stellen, wenn er zuvor angestrengte außergerichtliche Schuldenbereinigung erfolglos geblieben ist. Gelingt es dagegen dem Verbraucherschuldner, sich gegebenenfalls durch die Inanspruchnahme kompetenter Schuldnerberatung außergerichtlich mit allen Gläubigern zu einigen, so bedarf es keines (Verbraucher-)Insolvenzverfahrens und auch keines anschließenden Restschuldbefreiungsverfahrens mehr. Die Zustimmung der Gläubiger hat die Wirkung eines außergerichtlichen Vergleichs.

Kommt es dagegen zu einem (Verbraucher-)Insolvenzverfahren, dann besteht seit der Änderung der Insolvenzordnung zum 1. Juli 2014 nunmehr auch für Verbraucher die Möglichkeit, einen Insolvenzplan vorlegen. Das Insolvenzplanverfahren eröffnet es den Schuldnern und Gläubigern, gemeinsame Vereinbarungen treffen, die von den Regelungen der Insolvenzordnung abweichen. Insolvenzverfahren und Restschuldbefreiungsverfahren können dadurch individuell und flexibel gestaltet und somit gegebenenfalls abgekürzt werden. Bei einer Unternehmensinsolvenz kommt vor allem die Reorganisation des Unternehmens mit dem Ziel seines Erhalts (Sanierung) in Betracht. Den Insolvenzplan können sowohl der Insolvenzverwalter also auch der Schuldner ausarbeiten. In letzterem Fall sollte sich der Schuldner anwaltlich beraten und vertreten lassen.

Anwaltliche Beratung und Vertretung ist außerdem in allen Fällen der Insolvenzanfechtung anzuraten. Hierbei geht es um die Rückgängigmachung von gläubigerbenachteiligenden Vermögensverschiebungen durch den Insolvenzverwalter. In der Praxis immer wieder problematisch ist vor allem die Vorsatzanfechtung. Rechtshandlungen, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, sind anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Der Bundesgerichtshof war in den letzten Jahren sehr schnell dabei, den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zu bejahen. Inzwischen haben viele Bundesverbände, darunter der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, Positionspapiere verfasst, in denen sie die ausufernde Anwendung der Vorsatzanfechtung scharf kritisieren. Auch die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag erklärt, das Insolvenzanfechtungsrecht im Interesse der Planungssicherheit des Geschäftsverkehrs sowie des Vertrauens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ausgezahlte Löhne auf den Prüfstand stellen zu wollen. Vor diesem Hintergrund sollte den von Insolvenzverwaltern geltend gemachten Forderungen infolge Insolvenzanfechtung nicht allzu schnell klein beigeben werden.