Kapitalmarktrecht

KAPITALMARKTRECHT UND KAPITALANLAGERECHT

Wertpapierhandel, Prospekthaftung, Finanzinstrumente, Aktionär

Das Kapitalmarktrecht und Kapitalanlagerecht ist nicht einheitlich gesetzlich geregelt. Es besteht aus übergreifenden Rechtsgebieten, wie Aktienrecht, Wertpapierrecht und Börsenrecht im Zusammenhang mit der Gesamtheit aller Normen und Grundsätze, die die Emission und den Handel mit Finanzinstrumenten regeln und zum einen die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts an sich und zum anderen den Anlegerschutz zum Ziel haben.

Nach § 2 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) zählen zu den Finanzinstrumenten unter anderem Wertpapiere, wie beispielsweise Aktien, Schuldverschreibungen, Genussscheine, Optionsscheine, Investmentanteile, Geldmarktinstrumente, wie etwa Schuldscheine, Derivate, also Termingeschäfte, Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren und sonstige Instrumente, die an einem organisierten Markt im Inland oder der EU zugelassen sind.

Mit dem Anwachsen großer und kleiner Vermögen ging das Bestreben einher, diese renditebringend anzulegen und zu verwalten. In den gerade zurückliegenden Finanzmarktkrisen haben viele private Anleger und auch institutionelle Investoren ihr Geld verloren und nehmen nunmehr ihre Banken wegen behaupteter Fehler bei der Anlageberatung oder Vermögensverwaltung in Anspruch. Zahlreiche höchstrichterliche Entscheidungen sind Ausdruck dieser Entwicklung.

Seit dem sogenannten „Bond-Urteil“ (Bond-Anleihe) des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 6. Juli 1993 (– XI ZR 12/93 -) hat eine Bank bei der Anlageberatung den – gegebenenfalls zu erfragenden – Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft zu berücksichtigen („anlegergerechte“ Beratung), weshalb das von ihr danach empfohlene Anlageobjekt diesen Kriterien Rechnung tragen muss („objektgerechte“ Beratung).

Diese Rechtsprechung hat der BGH ständig weiterentwickelt, beispielweise zur Aufklärungspflicht über Rückvergütungen (sogenannte „Kickbacks“), wenn der Berater seinen Kunden Zuwendungen verschweigt, vor allem Provisionen, die er von dritter Seite hinter dem Rücken des Anlegers erhält und dadurch wegen einer schwerwiegenden Interessenkollision zur schadensersatzrechtlichen Rückabwicklung verpflichtet ist.

Mit dem sogenannten „Swap-Urteil“ vom 22. März 2011 (– XI ZR 191/10 -) erweiterte der BGH seine Rechtsprechung zur Interessenkollision. Dabei ging es um ein hoch komplex strukturiertes Finanzprodukt in Form eines speziellen Swaps (engl. (Aus-)Tausch). Mit Swaps können Zahlungsströme fast beliebiger Natur getauscht werden. Der BGH stellte klar, dass die Bank die Pflicht habe, eine allein am Kundeninteresse ausgerichtete Empfehlung abzugeben. Verkaufe sie ein Produkt, dessen Risikostruktur sie bewusst zu Lasten des Kunden gestaltet habe, müsse sie das gesamte Geschäft schadensersatzrechtlich rückabwickeln.

Bei den ersten „Lehman-Urteilen“ hielt der BGH (27. September 2011 – XI ZR 178/10 – und – XI ZR 182/10 -; 26. Juni 2012 – XI ZR 259/11 – und – XI ZR 316/11 – und – XI ZR 355/10 – sowie – XI ZR 356/10 -) eine Aufklärung der Kunden nicht für erforderlich, weil die Verkäufe der von Lehman Brothers emittierten Zertifikate als sogenannte Eigen- oder Festpreisgeschäfte ausgestaltet waren, bei denen es sich gerade nicht um Rückvergütungen („Kickbacks“) handelte. Die Bank verdiente vielmehr an einer eingepreisten Gewinnspanne, worüber nicht aufgeklärt werden müsste.

In zwei Entscheidungen vom 25. November 2014 (– XI ZR 480/13 – und – XI ZR 169/13 –) hat der BGH erstmals „Lehman-Anlegern“ Schadensersatz zugesprochen. Er hat angenommen, dass die Bank verpflichtet war, die Anleger vor dem Erwerb von Inhaberschuldverschreibungen mit 100 %igem Kapitalschutz oder mit bedingtem Kapitalschutz bezogen auf das Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten bestimmter Schwellenwerte oder Barrierepuffer, sogenannter „Garantie-Zertifikate“, ungefragt darüber aufzuklären, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Folgen der Emittentin bereits vor dem Laufzeitende ein Kündigungsrecht zusteht, das zu einem Totalverlust des Kapitals führen kann. Der BGH geht dabei von seiner ständigen Rechtsprechung ausgehend von dem sogenannten „Bond-Urteil“ aus, wonach die beratende Bank zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet ist. Die Anlage muss zu den Erfahrungen und Kenntnissen, den Zielen sowie der Risikobereitschaft des Anlegers passen.