Fristen im Dublin-Verfahren nicht individualschützend

Fristen im Dublin-Verfahren nicht individualschützend

Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts 87/2015

Stimmt ein von Deutschland ersuchter EU-Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylantragstellers im Rahmen des Dublin-Verfahrens zu, so kann sich der Asylbewerber gegen seine Überstellung in diesen Mitgliedstaat nicht mit dem Argument wehren, dass die in der Dublin II-Verordnung geregelte Frist für ein Aufnahmegesuch abgelaufen sei. Diese Frist gilt nur für den Rechtsverkehr zwischen den am Dublin-Verfahren beteiligten Staaten, dient aber nicht dem Schutz des einzelnen Asylbewerbers. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Den Entscheidungen lag der Fall einer pakistanischen Staatsangehörigen mit ihren drei Kindern zugrunde, die im Januar 2013 in Deutschland Asylanträge stellten, weil sie in ihrer Heimat aus religiösen Gründen verfolgt würden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte die Asylanträge im Januar 2014 als unzulässig ab. Zugleich ordnete es die Abschiebung der Kläger nach Spanien an, weil sie bereits in Spanien Asylanträge gestellt hätten. Die spanischen Behörden haben einer Wiederaufnahme der Kläger im Rahmen des Dublin-Verfahrens zugestimmt.

Das Verwaltungsgericht hat die Bescheide aufgehoben, weil die Bundesrepublik durch Fristablauf für die Behandlung der Asylanträge zuständig geworden sei. Das Bundesamt hätte die spanischen Behörden spätestens innerhalb einer Frist von drei Monaten um Wiederaufnahme der Kläger ersuchen müssen; dies sei hier nicht geschehen. Der Verwaltungsgerichtshof ist dem nicht gefolgt und hat die Klagen abgewiesen.

Die dagegen gerichteten Revisionen der Kläger blieben ohne Erfolg. Der 1. Revisionssenat hat entschieden, dass sich die Kläger nicht auf eine Versäumung der Drei-Monats-Frist für die Stellung eines Aufnahmegesuchs nach Art. 17 Abs. 1 Dublin II-Verordnung berufen können. Denn diese Frist dient der organisatorischen Abwicklung des Dublin-Verfahrens zwischen den Mitgliedstaaten. Sie schützt jedoch nicht den einzelnen Asylbewerber. Dieser kann in Fällen der vorliegenden Art einer Überstellung an einen anderen Mitgliedstaat nur unter Hinweis auf systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller im ersuchten Staat entgegentreten. Das gilt jedenfalls dann, wenn der ersuchte Mitgliedstaat der Aufnahme zugestimmt hat. Hier hatte Spanien seine Zustimmung zur Wiederaufnahme der Kläger erklärt.

Zum Prozessrecht hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die von den Klägern erhobene Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart darstellt. Denn die Dublin-Verordnungen unterscheiden klar zwischen dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staats und der inhaltlichen Prüfung eines Asylantrags.

BVerwG 1 C 32.14 – Urteil vom 27. Oktober 2015

Vorinstanzen:
VGH Kassel 2 A 976/14.A – Beschluss vom 25. August 2014
VG Wiesbaden 2 K 197/14.WI.A – Urteil vom 22. April 2014

BVerwG 1 C 33.14 – Urteil vom 27. Oktober 2015

Vorinstanzen:
VGH Kassel 2 A 975/14.A – Beschluss vom 25. August 2014
VG Wiesbaden 2 K 194/14.WI.A – Urteil vom 22. April 2014

BVerwG 1 C 34.14 – Urteil vom 27. Oktober 2015

Vorinstanzen:
VGH Kassel 2 A 974/14.A – Beschluss vom 25. August 2014
VG Wiesbaden 2 K 192/14.WI.A – Urteil vom 22. April 2014