Verfassungsbeschwerden gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014 nicht zur Entscheidung angenommen

Verfassungsbeschwerden gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014 nicht zur Entscheidung angenommen

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 98/2016

Mit heute veröffentlichten Beschlüssen hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mehrere Verfassungsbeschwerden gegen das im August 2014 in Kraft getretene Erneuerbare-Energien-Gesetz („EEG 2014“) nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführer wendeten sich gegen die Deckelung der Strommenge, für die Betreiber von Bestandsbiogasanlagen ihren Vergütungsanspruch in voller Höhe geltend machen können (§ 101 Abs. 1 EEG 2014), und gegen die Beschränkung der Substrate, für deren Verwendung in Biogasanlagen ein zusätzlicher „Landschaftspflegebonus“ bezahlt wird (§ 101 Abs. 2 Nr. 1 EEG 2014). Zwar entfalten beide angegriffenen Neuregelungen eine „unechte“ Rückwirkung, verletzen aber nicht das verfassungsrechtlich geschützte Vertrauen der Beschwerdeführer.

Sachverhalt:

Das Gesetz über den Vorrang Erneuerbarer Energien („EEG“) gewährt den Betreibern von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien für die Dauer von 20 Kalenderjahren einen gegen die Elektrizitätsversorgungsunternehmen gerichteten Mindestvergütungsanspruch für die Einspeisung des Stroms. Im Jahr 2009 hat der Gesetzgeber den Biogasanlagenbetreibern die Möglichkeit eingeräumt, durch den Einsatz von gesetzlich nicht näher bestimmtem Landschaftspflegematerial zusätzliche Vergütungsansprüche zu erwerben („Landschaftspflegebonus“). Dieser Landschaftspflegebonus wurde mit dem EEG 2014 auch für Bestandsanlagen von der Verwendung gesetzlich näher bestimmten Landschaftspflegematerials abhängig gemacht (§ 101 Abs. 2 Nr. 1 EEG 2014). Dadurch sollte der Praxis entgegengewirkt werden, landwirtschaftlich erzeugte Feldfrüchte in Biogasanlagen einzusetzen. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber mit dem EEG 2014 die Strommenge, für die Betreiber von Bestandsbiogasanlagen ihren Vergütungsanspruch in voller Höhe geltend machen können, für die Zukunft begrenzt. Der Grenzwert liegt entweder bei der höchsten in der Vergangenheit in einem Kalenderjahr erzielten Leistung („Höchstbemessungsleistung“) oder aber bei 95 % der installierten Leistung. Für die darüber hinaus gehende Stromproduktion erhält der Betreiber lediglich den niedrigeren Marktwert (§ 101 Abs. 1 EEG 2014). Die Biogasanlagen betreibenden Beschwerdeführer wenden sich mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen diese Neuregelungen und rügen vornehmlich die Verletzung der Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen. Sie sind mangels ausreichender Begründung überwiegend bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet. § 101 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 EEG 2014 verletzen die Beschwerdeführer nicht in einem von Verfassungs wegen geschützten Vertrauen.

  1. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet bei rückwirkenden Gesetzen in ständiger Rechtsprechung zwischen Gesetzen mit echter Rückwirkung, die grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar sind, und solchen mit unechter Rückwirkung, die grundsätzlich zulässig sind. Eine Rechtsnorm entfaltet unechte Rückwirkung, wenn sie auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet.

Gemessen daran entfalten § 101 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 EEG 2014 grundsätzlich unechte Rückwirkung. Die Rechtsfolgen treten erst nach deren Verkündung ein, entwerten aber in gewissem Umfang das Vertrauen in den Bestand der zuvor durch Gesetz zugesicherten Vergütungsoptionen. Den Biogasanlagen, die unter dem EEG 2009 in Betrieb genommen wurden, war der Vergütungsanspruch, zu dem auch der Landschaftspflegebonus in seiner konkreten Gestalt gehörte, für einen Zeitraum von 20 Jahren versprochen worden. Dieser Zeitraum war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der angegriffenen Regelung noch nicht abgelaufen.

Aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergeben sich Grenzen der Zulässigkeit von unecht rückwirkenden Gesetzen. Gesetze, auf die ein schutzwürdiges Vertrauen des Einzelnen gründet, dürfen nicht ohne besondere und überwiegende Gründe des öffentlichen Interesses rückwirkend geändert werden. Verspricht der Gesetzgeber – wie hier in den verschiedenen Fassungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – für einen konkret festgelegten Zeitraum Vergütungen einer bestimmten Höhe für nach den Bedingungen des Gesetzes produzierten Strom, schafft er eine besondere Vertrauensgrundlage für darauf aufbauende Investitionen. Dieser besondere Vertrauensschutz für Investitionen, die auf der Grundlage einer derartigen Gesetzeslage getätigt wurden, schließt allerdings – gerade wenn sich die Zusage, wie hier, über einen so langen Zeitraum erstreckt – nicht jegliche Randkorrektur der Gewährungsbedingungen aus, sofern sie sich auf ein berechtigtes öffentliches Interesse stützen kann, die Garantie im Kern unberührt lässt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen nicht unangemessen zurücksetzt.

  1. Diese Grenzen verletzt § 101 Abs. 1 EEG 2014 trotz der damit verbundenen Belastung für Bestandsanlagen nicht. Es liegt auf der Hand, dass der Anreiz zum Ausbau alter Anlagen, der sich aus der Möglichkeit der Ausschöpfung alter – aus Sicht des Anlagenbetreibers besserer – Vergütungsregelungen ergibt, durch die angegriffene Regelung reduziert wird. Der Gesetzgeber berücksichtigt das berechtigte Vertrauen des Altanlagenbetreibers im Ergebnis dadurch angemessen, dass er den bei Inbetriebnahme der Anlage zugesagten Vergütungsanspruch bis zu einer aus dieser Anlage bereits erzielten Höchstleistung weiterhin für 20 Jahre garantiert. Selbst wenn die Höchstleistung einer Anlage in der Vergangenheit atypisch niedrig gewesen sein sollte, gewährleistet die angegriffene Regelung die zugesagte Vergütung dann jedenfalls für 95 % der installierten Leistung. Eine Produktionserhöhung durch nachträgliche Um- und Erweiterungsbauten wird dagegen nur bis zu den nunmehr definierten Grenzwerten mit dem ursprünglich versprochenen Vergütungsanspruch honoriert. Diese Regelung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Einen weitergehenden Schutz seines Vertrauens in die uneingeschränkte Vergütung von Produktionserhöhungen aus Um- oder Erweiterungsbauten, die unter einem neuen EEG-Regime in Altanlagen installiert wurden, kann der jeweilige Biogasanlagenbetreiber nicht beanspruchen. Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesetzgeber solche nachträglichen Um- oder Erweiterungsbauten bewusst in den Vertrauensschutz der 20-Jahre-Garantie einbeziehen wollte. Ein Vertrauen auf den Fortbestand der Möglichkeit zum leistungssteigernden Um- und Ausbau ist daher von Verfassungs wegen nicht schutzwürdig.
  2. Auch § 101 Abs. 2 Nr. 1 EEG 2014 verstößt in Bezug auf den Einsatz von Feldfrüchten nicht gegen die an unecht rückwirkende Gesetze zu stellenden Anforderungen. Der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Zweck der angegriffenen Regelung liegt darin, der unter dem Begriff „Landschaftspflegemais“ bekannt gewordenen Fehlentwicklung Einhalt zu gebieten. Die Regelung ist zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und auch angemessen. Nachdem den Biogasanlagenbetreibern ein bestimmter Vergütungsanspruch nebst einem unter bestimmten Voraussetzungen gewährter Landschaftspflegebonus für 20 Jahre versprochen worden war, durften die Anlagenbetreiber grundsätzlich davon ausgehen, dass die Voraussetzungen, unter denen dieser Landschaftspflegebonus gewährt wird, innerhalb des genannten Zeitraumes nicht verschärft werden. Die im Grundsatz gewichtigen Bestandsinteressen sind durch die angegriffene Bestimmung tatsächlich aber nur geringfügig beeinträchtigt. Die Verschärfung der Voraussetzungen für den Erhalt des Landschaftspflegebonus betrifft lediglich einen mit Blick auf den gesamten Vergütungsanspruch vergleichsweise geringen Teil. Dass den Betreibern eine Belastung drohte, die etwa die Wirtschaftlichkeit des Betriebs der Anlage insgesamt in Frage stellen würde, ist danach nicht erkennbar. Vor diesem Hintergrund vermögen die Bestandsinteressen das gesetzgeberische Änderungsinteresse, das sein besonderes Gewicht aus der wirksamen Bekämpfung einer Fehlentwicklung bezieht, nicht zu überwiegen.