Erfolgreiche Verfassungsbeschwerden gegen Auslieferungen russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Herkunft

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerden gegen Auslieferungen russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Herkunft

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 88/2019

Die Gefahr, dass von einem Auslieferungsverfahren betroffene Personen in Tschetschenien politischer Verfolgung oder den Mindeststandards nicht genügenden Strafverfahren ausgesetzt sein werden, kann im Falle der örtlichen Zuständigkeit von Gerichten in Tschetschenien nicht dadurch beseitigt werden, dass die an die Russische Föderation gerichtete Auslieferungsbewilligung einseitig mit dem Vorbehalt versehen wird, das künftige Strafverfahren müsse außerhalb des nordkaukasischen Föderalbezirks durchgeführt werden. Die Russische Föderation hatte zuvor gegenüber der Bundesrepublik Deutschland erklärt, eine Verlagerung des örtlichen Gerichtsstandes aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht sicherstellen und deshalb auch keine dahingehende rechtlich verbindliche Zusicherung abgeben zu können. Vor diesem Hintergrund hat die 2. Kammer des Zweiten Senats zwei Verfassungsbeschwerden gegen entsprechende Beschlüsse des Brandenburgischen Oberlandesgerichtes stattgegeben und die Verfahren zur erneuten Entscheidung dorthin zurückverwiesen. Zur Begründung hat sie dabei auch angeführt, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dagegen spricht, in einer einseitigen Bedingung unter den gegebenen Umständen eine hinreichende Sicherung zu sehen.

Sachverhalt:

Beide Verfassungsbeschwerden betreffen die Auslieferung russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Herkunft zur Strafverfolgung nach Russland. Die Beschwerdeführer wurden jeweils durch die Russische Föderation über Interpol ausgeschrieben. Den Ausschreibungen lagen Haftbefehle eines Bezirksgerichts in der russischen Teilrepublik Tschetschenien zugrunde, in denen den Beschwerdeführern ein Raubdelikt beziehungsweise ein Drogendelikt zur Last gelegt werden. Auf seinen Asylantrag hin wurde dem Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 828/19in Polen der Flüchtlingsstatus versagt, subsidiärer Schutzstatus aber zuerkannt. Das Asylverfahren gegen den Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 517/19 wurde eingestellt, nachdem dieser Polen verlassen hatte. Die in Deutschland gestellten Asylanträge wurden abgelehnt. Die Auslieferungshaftbefehle wurden jeweils außer Vollzug gesetzt. Das Oberlandesgericht erklärte die Auslieferung des jeweiligen Beschwerdeführers für zulässig, allerdings dürften das Ermittlungsverfahren, die Untersuchungshaft und eine mögliche Strafhaft nicht im nordkaukasischen Föderalbezirk durchgeführt werden. Mitglieder des deutschen Konsulardienstes müssten den Beschwerdeführer jederzeit besuchen und am Strafverfahren teilnehmen dürfen. Die Zulässigkeitserklärung stehe unter der weiteren Voraussetzung, dass seitens des Bundesamts für Justiz die Bewilligungserklärung „davon abhängig gemacht“ werde, dass das künftige Gerichtsverfahren außerhalb des nordkaukasischen Föderalbezirks durchgeführt werde.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

  1. 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterliegen die deutschen Gerichte bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Auslieferung der verfassungsrechtlichen Pflicht, zu prüfen, ob die erbetene Auslieferung die gemäß Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 1 und Art. 20 GG unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätze beziehungsweise das unabdingbare Maß an Grundrechtsschutz verletzt. Sie sind verpflichtet, zu prüfen, ob die Auslieferung und die ihr zugrundeliegenden Akte den nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard wahren. Gemäß Art. 25 GG sind bei der Auslegung und Anwendung von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts durch Verwaltungsbehörden und Gerichte die allgemeinen Regeln des Völkerrechts zu beachten. Hieraus folgt insbesondere, dass die Behörden und Gerichte grundsätzlich daran gehindert sind, innerstaatliches Recht in einer Weise auszulegen und anzuwenden, welche die allgemeinen Regeln des Völkerrechts verletzt. Sie sind auch verpflichtet, alles zu unterlassen, was einer unter Verstoß gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts vorgenommenen Handlung nichtdeutscher Hoheitsträger im Geltungsbereich des Grundgesetzes Wirksamkeit verschafft, und gehindert, an einer gegen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts verstoßenden Handlung nichtdeutscher Hoheitsträger bestimmend mitzuwirken. Im Rahmen des gerichtlichen Zulässigkeitsverfahrens im Vorgriff auf eine Auslieferung sind die zuständigen Gerichte verpflichtet, den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären und etwaige Auslieferungshindernisse in hinreichender Weise, also in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig, zu prüfen. Dies gilt auch für die Frage, ob der Auszuliefernde Gefahr läuft, im Zielstaat Opfer politischer Verfolgung zu werden. Soweit Anhaltspunkte für eine politische Verfolgung im Zielstaat bestehen, sind die zuständigen Stellen in Auslieferungssachen verpflichtet, im Rahmen von § 6 Abs. 2 IRG oder einer entsprechenden auslieferungsvertraglichen Regelung eigenständig zu prüfen, ob dem Betroffenen im Fall seiner Auslieferung politische Verfolgung droht. Es genügt den den Oberlandesgerichten obliegenden Aufklärungs- und Prüfungspflichten wegen der eingeschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Bewilligungsentscheidung nicht, im gerichtlichen Auslieferungsverfahren auf die Möglichkeit der Bundesregierung zu verweisen, im Bewilligungsverfahren Zusicherungen des ersuchenden Staates einzuholen. Zweck der gerichtlichen Zulässigkeitsprüfung im förmlichen Auslieferungsverfahren ist der präventive Rechtsschutz der betroffenen Person. Das gerichtliche Zulässigkeitsverfahren im Allgemeinen und die Prüfung der Gefahr politischer Verfolgung im Zielstaat im Besonderen dienen der Abwehr staatlicher Eingriffe in grundrechtlich geschützte Interessen des Auszuliefernden. Wird eine Auslieferung vollzogen, obwohl die Gefahr besteht, dass der Betroffene im Zielstaat politisch verfolgt wird, so verstößt sie jedenfalls gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG. Auslegung und Anwendung des § 6 Abs. 2 IRG oder entsprechender auslieferungsvertraglicher Regelungen durch die Oberlandesgerichte haben dem Rechnung zu tragen und eine wirksame gerichtliche Kontrolle sicherzustellen. Auch wenn im konkreten Fall aus Art. 16a Abs. 1 GG kein Asylanspruch folgt, muss der Grundgedanke dieser Norm, Schutz vor politischer Verfolgung im Zielstaat zu bieten, Berücksichtigung finden.

Soweit ernstliche Gründe für die Annahme einer politischen Verfolgung im Zielstaat sprechen, hat das Gericht die beantragte Auslieferung demnach grundsätzlich für unzulässig zu erklären. Ob die Voraussetzungen dieses Auslieferungshindernisses vorliegen, muss es eigenständig und unabhängig von etwaigen Entscheidungen im Asylverfahren prüfen. Dies folgt verfassungsrechtlich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, den in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG geschützten materiellen Rechtspositionen, die insoweit dem Grundgedanken des Art. 16a Abs. 1 GG entsprechen, sowie einfachrechtlich aus § 6 Abs. 2 IRG beziehungsweise den entsprechenden auslieferungsvertraglichen Vorschriften.

Nicht nur bei Überstellungen zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sondern auch im allgemeinen völkerrechtlichen Auslieferungsverkehr gilt der Grundsatz, dass dem ersuchenden Staat im Hinblick auf die Einhaltung der Grundsätze der Rechtshilfe in Strafsachen sowie des Völkerrechts Vertrauen entgegenzubringen ist. Auch im allgemeinen Auslieferungsverkehr hat der ersuchende Staat ein erhebliches Interesse an der Aufrechterhaltung und Funktionsfähigkeit der gegenseitigen Rechtshilfe. Von der Begehung von Rechtsverletzungen, die die zukünftige Funktionsfähigkeit des Auslieferungsverkehrs zwangsläufig beeinträchtigen würden, wird ein ersuchender Staat schon deshalb regelmäßig Abstand nehmen.

Dieser Grundsatz kann so lange Geltung beanspruchen, wie er nicht durch entgegenstehende Tatsachen, etwa das Vorliegen ernstlicher Gründe für die Annahme einer politischen Verfolgung im Zielstaat, erschüttert wird. Dies ist der Fall, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass im Fall einer Auslieferung die unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätze beziehungsweise das unabdingbare Maß an Grundrechtsschutz oder der verbindliche völkerrechtliche Mindeststandard gemäß Art. 25 GG nicht eingehalten werden. Dafür müssen stichhaltige Gründe gegeben sein, nach denen gerade im konkreten Fall eine beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass in dem ersuchenden Staat die völkerrechtlichen Mindeststandards nicht beachtet werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind vom ersuchenden Staat im Auslieferungsverkehr gegebene völkerrechtlich verbindliche Zusicherungen geeignet, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen, sofern nicht im Einzelfall zu erwarten ist, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird. Eine Zusicherung entbindet das über die Zulässigkeit einer Auslieferung befindende Gericht allerdings nicht von der Pflicht, eine eigene Gefahrenprognose anzustellen, etwa bezogen auf Anhaltspunkte für die Gefahr politischer Verfolgung im Zielstaat. Dabei muss das Gericht den Vortrag des Beschwerdeführers nachvollziehbar und willkürfrei würdigen.

  1. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Er verleiht dem Einzelnen, der im Auslieferungsverfahren im Vorgriff einer belastenden hoheitlichen Maßnahme geltend macht, diese würde in unzulässiger Weise in seine Rechte eingreifen, einen substantiellen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Die fachgerichtliche Überprüfung grundrechtseingreifender Maßnahmen kann die Beachtung des geltenden Rechts und den effektiven Schutz der berührten Interessen nur gewährleisten, wenn sie auf zureichender Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts beruht. Um dem Gebot effektiven Rechtsschutzes zu genügen, darf ein Gericht auf die Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten daher nur verzichten, wenn Beweismittel unzulässig, schlechterdings untauglich, unerreichbar oder für die Entscheidung unerheblich sind. Dagegen darf es von einer Beweisaufnahme nicht schon dann absehen, wenn die Aufklärung besonders arbeits- oder zeitaufwendig erscheint.
  2. Nach diesen Maßstäben können die Entscheidungen des Oberlandesgerichts über die Zulässigkeit der Auslieferung keinen Bestand haben.
  3. Die zulässige Verfassungsbeschwerde im Verfahren 2 BvR 828/19 ist begründet, soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass die angegriffenen Entscheidungen gegen seine Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG verstoßen.
  4. a) Das Oberlandesgericht selbst geht davon aus, dass der Beschwerdeführer Gefahr läuft, im nordkaukasischen Föderalbezirk der politischen Verfolgung ausgesetzt zu sein. Diese Gefahr stellt einfachrechtlich beziehungsweise nach den entsprechenden auslieferungsvertraglichen Vorschriften ein Auslieferungshindernis dar. Einer Auslieferung stehen zudem die in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG geschützten materiellen Rechtspositionen und der Rechtsgedanke des Art. 16a Abs. 1 GG entgegen, Schutz vor politischer Verfolgung im Zielstaat zu bieten.
  5. b) Der durch das Oberlandesgericht unterstellten Gefahr politischer Verfolgung wird auch nicht dadurch begegnet, dass in der Bewilligungsnote eine einseitige Annahme formuliert wird, nach der die Auslieferung in dem Verständnis erfolge, dass das Strafverfahren außerhalb des nordkaukasischen Föderalbezirks durchgeführt werde.

Dabei kann offenbleiben, ob ein einseitiger Vorbehalt in der Verbalnote, mit der dem Zielstaat die Bewilligung der Auslieferung mitgeteilt und der durch Entgegennahme der betroffenen Person durch seine Behörden konkludent angenommen wird, rechtlich gleich einer Zusicherung zu behandeln ist. Denn eine solche Gleichbehandlung setzt voraus, dass ein einseitiger Vorbehalt ohne Zweifel in den jeweils geschlossenen völkerrechtlichen Auslieferungsvertrag einbezogen wird und demnach rechtlich in gleicher Weise Verbindlichkeit erlangt wie eine von dem ersuchenden Staat abgegebene rechtsverbindliche Zusicherung.

Durch einseitige Formulierungen in der Bewilligungsnote, wie sie das Oberlandesgericht im Zulässigkeitsverfahren angeordnet hat, ist jedenfalls nicht hinreichend sichergestellt, dass der Beschwerdeführer nicht einem Strafverfahren im nordkaukasischen Föderalbezirk unterzogen wird. Mit einer solchen Annahme formuliert die Bundesrepublik Deutschland ihr Vertrauen in ein konkretes Verhalten des Zielstaats, obwohl die Russische Föderation bereits förmlich und mit Bezug zum vorliegenden Einzelfall bekundet hatte, sie könne das von der deutschen Seite gewünschte Ergebnis einer Verlagerung des örtlichen Gerichtsstandes aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht sicherstellen und deshalb auch keine rechtlich verbindliche Zusicherung abgeben. Vor diesem von der russischen Seite detailliert geschilderten Hintergrund ist nicht ersichtlich, weshalb das Oberlandesgericht davon ausgeht, dass im Falle des Beschwerdeführers die in der deutschen Verbalnote einseitig aufgestellte Erwartung mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ von der russischen Seite erfüllt werden wird. Zudem wird diese Erwartung durch die Handhabung derartiger Fälle durch die Behörden der Russischen Föderation in der Vergangenheit in Zweifel gezogen.

  1. c) Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) spricht dagegen, die vom Oberlandesgericht im vorliegenden Fall für erforderlich erachtete einseitig formulierte Erwartung einer rechtlich verbindlichen Zusicherung gleichzustellen. Der EGMR geht davon aus, dass der ersuchte Staat anhand der Umstände des Einzelfalles überprüfen muss, ob eine abgegebene Zusicherung auch tatsächlich belastbar ist und wieviel Gewicht ihr bei der Gesamtbetrachtung zukommt. Der Gerichtshof beurteilt die Belastbarkeit einer Zusicherung unter anderem danach, ob diese konkret oder allgemein und vage formuliert ist, ob eine staatliche Stelle die Zusicherung abgegeben hat, die den Zielstaat rechtlich binden kann, ob erwartet werden kann, dass Regionalregierungen sich an Zusicherungen, die durch Organe der Zentralregierung abgegeben werden, gebunden sehen, ob Zusicherungen in der Vergangenheit beachtet wurden und ob das zugesicherte Verhalten nach dem nationalen Recht des Zielstaats legal oder illegal ist. Diese Grundsätze sind auch bei der verfassungsrechtlichen Bewertung von Zusicherungen heranzuziehen. Hier hat sich keine russische Behörde ausdrücklich dazu bekannt, das von der deutschen Seite gewünschte Ergebnis eines Strafverfahrens außerhalb des nordkaukasischen Föderalbezirks verbindlich zu gewährleisten. Vielmehr hat die russische Seite bekundet, dieses Ergebnis angesichts der alleinigen Entscheidungskompetenz des – unabhängigen – örtlich zuständigen Tatgerichts nicht sicherstellen zu können. In der Vergangenheit sind derartige Erwartungen nach den Angaben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zudem in einigen Fällen, die relativ gesehen einen nicht zu vernachlässigenden Anteil ausmachen, nicht erfüllt worden.
  2. Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 2 BvR 517/19 ist begründet, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG rügt.

Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung kann nach den aufgeführten Maßstäben keinen Bestand haben. Das Oberlandesgericht hat die Umstände, die den Beschwerdeführer bei einem möglichen Strafverfahren im nordkaukasischen Föderalbezirk erwarten würden, nicht aufgeklärt. Es hat sich von der Aufklärung und der rechtlichen Prüfung, ob im Rahmen eines solchen Strafverfahrens die unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätze beziehungsweise das unabdingbare Maß an Grundrechtsschutz und der völkerrechtliche Mindeststandard eingehalten würden, als entbunden angesehen, weil es davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer nicht dorthin überstellt werde. Dabei führt es selbst aus, dass angesichts der Situation in Tschetschenien einer Auslieferung dorthin vorgebeugt werden muss. Es ist bereits zweifelhaft, ob das Gericht für die Widerlegung eines von ihm für möglich erachteten Auslieferungshindernisses, welches durch die Situation in der Zielregion entsteht, auf weitergehende, im späteren Bewilligungsverfahren einzuholende Sicherungsmechanismen verweisen durfte. Denn die betroffene Person hat im Bewilligungsverfahren nur noch eingeschränkte Rechtsschutz- und Einflussmöglichkeiten. Jedenfalls aber hätte das Oberlandesgericht, bevor es sich auf im Bewilligungsverfahren aufzustellende einseitige Bedingungen hätte berufen und die weitere Aufklärung des Sachverhalts im Hinblick darauf unterlassen können, prüfen müssen, inwiefern mit einer solchen Bedingung im Bewilligungsverfahren sichergestellt werden kann, dass eine Auslieferung des Beschwerdeführers nach Tschetschenien mit hinreichender Sicherheit auszuschließen ist. Ist dies nicht der Fall, hätte es der weiteren Aufklärung des Sachverhalts im Zulässigkeitsverfahren unter Einbeziehung der Situation im nordkaukasischen Föderalbezirk bedurft.

Hätte das Oberlandesgericht im Zulässigkeitsverfahren unter Einbindung des Bundesamts für Justiz und des Auswärtigen Amtes geprüft, ob eine einseitige Bedingung in der Bewilligungsnote über eine Verlagerung des örtlichen Gerichtsstandes hinreichend sicherstellt, dass der Beschwerdeführer nicht einem Strafverfahren in Tschetschenien ausgesetzt wird, hätte es sich mit den bestehenden Problemen dieser Vorgehensweise befassen müssen. Denn die Russische Föderation hat gegenüber der Bundesrepublik Deutschland in derartigen Fällen geltend gemacht, dass es der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des gesetzlichen Richters widerspreche, den örtlichen Gerichtsstand in diesem Verfahrensstadium zu verlagern. Über die Verlegung des Gerichtsstandes könne nur das örtlich zuständige Gericht, hier das Strafgericht in Grosny, entscheiden. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, worauf das Oberlandesgericht sein Vertrauen gründet, dass die Russische Föderation aufgrund einer einseitig aufgestellten Bedingung in der Bewilligungsentscheidung den örtlichen Gerichtsstand verlagern werde, obwohl sie bereits förmlich bekundet hat, sie könne das von der deutschen Seite gewünschte Ergebnis aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht sicherstellen.

Daher kann auch hier offenbleiben, ob ein einseitiger Vorbehalt in der Verbalnote, mit der dem Zielstaat die Bewilligung der Auslieferung mitgeteilt und der durch Entgegennahme der betroffenen Person durch die Behörden des Zielstaats konkludent angenommen wird, rechtlich gleich einer Zusicherung zu behandeln ist. Die vorliegend vom Oberlandesgericht für erforderlich erachtete und im späteren Bewilligungsverfahren aufgestellte Bedingung der Verlagerung des örtlichen Gerichtsstandes aus dem nordkaukasischen Föderalbezirk erweist sich vor dem Hintergrund der russischen Rechtslage jedenfalls als nicht hinreichend belastbar. Auch die Rechtsprechung des EGMR spricht, wie oben ausgeführt, dagegen, in einer einseitigen Bedingung unter den gegebenen Umständen eine hinreichende Sicherung zu sehen.