Nichtzulassung der Einbeziehung von Investitionskosten in die Abrechnung gegenüber Pflegebedürftigen nach alter Rechtslage verfassungsgemäß

Nichtzulassung der Einbeziehung von Investitionskosten in die Abrechnung gegenüber Pflegebedürftigen nach alter Rechtslage verfassungsgemäß

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 56/2016

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, auf Grundlage des § 82 Abs. 2 und 3 SGB XI in der bis zum 27. Dezember 2012 geltenden Fassung gegenüber Pflegebedürftigen die kalkulatorische Berechnung von Eigenkapitalzinsen, von Rückstellungen für spätere Investitionen sowie von Pauschalen für Instandhaltungsmaßnahmen neben den tatsächlich angefallenen Kosten nicht zuzulassen. Dies hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin betreibt in mehreren Bundesländern Einrichtungen der Behinderten- und Altenpflege und beantragte ohne Erfolg, den Pflegebedürftigen Investitionsaufwendungen in Form von Erbbauzinsen, Eigenkapitalzinsen und Rückstellungen für künftige Investitionen sowie Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen kalkulatorisch statt nach den tatsächlichen Kosten jeden Jahres berechnen zu dürfen. Mit den angegriffenen Entscheidungen vom 8. September 2011 hat das Bundessozialgericht lediglich die gesonderte Berechnung von Investitionsaufwendungen für Erbbauzinsen anerkannt und im Übrigen die Klagen abgewiesen. Mit Wirkung zum 28. Dezember 2012 hat der Bundesgesetzgeber die Umlagefähigkeit von Kapitalkosten (§ 82 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 1 SGB XI) sowie die Umlagefähigkeit von Erbbauzinsen (§ 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XI) explizit aufgenommen. Außerdem hat der Gesetzgeber die Möglichkeit für den Landesgesetzgeber geschaffen, bei der Berechnung von Aufwendungen pauschalierte Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen zu berücksichtigen (§ 82 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 SGB XI). Mit ihren Verfassungsbeschwerden macht die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, dass die Auslegung des § 82 Abs. 3 SGB XI a.F. durch das Bundessozialgericht eine gänzliche Abkehr von sonst im Wirtschaftsverkehr üblichen und auch gesetzlich vorgesehenen Gepflogenheiten darstelle.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

  1. Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts sind Sache der Fachgerichte; das Bundesverfassungsgericht beanstandet nur die Verletzung von Verfassungsrecht. Die hier angegriffenen Entscheidungen des Bundessozialgerichts lassen einen Verfassungsverstoß nicht erkennen.
  2. Beide Entscheidungen kommen zum Ergebnis, dass auf Grundlage einer methodisch einwandfreien Auslegung des Wortlauts des § 82 SGB XI a.F. nur tatsächlich angefallene Kosten, die weder durch Vergütungen oder Entgelte noch mittels Förderung durch das Land abgegolten sind, dem Pflegebedürftigen berechnet werden können. Kalkulatorische Kosten in Form von Rücklagen für künftige Investitionen und Instandhaltungen, Abschreibungen und Eigenkapitalzinsen dürfen nicht umgelegt werden. Das ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ob deren Ergebnis für die alltägliche Verwaltungspraxis praktikabel ist oder unnötigen weiteren Verwaltungsaufwand verursacht, bleibt für die hier allein am Maßstab des Verfassungsrechts vorzunehmende Kontrolle der Urteile unerheblich.
  3. Die Entscheidungen des Bundessozialgerichts entsprechen auch im Übrigen den Vorschriften des Grundgesetzes. Entgegen dem Vortrag der Beschwerdeführerin wird Art. 14 GG nicht durch die von ihr beanstandete Auslegung des damaligen Gesetzeswortlauts verletzt, denn dadurch wird keines ihrer konkreten Eigentumsrechte geschmälert, sondern allenfalls bilanziell anders bewertet. Eine Verletzung von Art. 12 GG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die beiden Urteile des Bundessozialgerichts erlauben an anderer Stelle eine Einbeziehung aller drei streitbefangenen Aufwendungen und berühren insoweit die Berufsausübung nicht. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht zu erkennen. Zur denkbaren Ungleichbehandlung von Eigen- und Fremdkapital oder zwischen geförderten und nicht geförderten Pflegeeinrichtungen haben die Verfassungsbeschwerden weder hinreichend vorgetragen noch deren sachliche Rechtfertigung durch das Ziel der Vermeidung einer Doppelfinanzierung erwogen.