Räumung und Herausgabe des Rennbahngeländes in Frankfurt am Main

Räumung und Herausgabe des Rennbahngeländes in Frankfurt am Main

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 76/2018

Der u.a. für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Klage der Stadt Frankfurt a. M. auf Räumung und Herausgabe des Rennbahngeländes in Frankfurt am Main entschieden.

Sachverhalt:

Die klagende Stadt verlangt von dem beklagten Verein die Räumung und Herausgabe des Galopprennbahngeländes in Frankfurt am Main. Widerklagend begehrt der Beklagte die Feststellung der Unwirksamkeit eines zwischen der Klägerin als Vermieterin und der F.H. GmbH als Mieterin des Rennbahngeländes geschlossenen Mietaufhebungsvertrags und eines zwischen der Klägerin und dem Zeugen H. als alleinigem Gesellschafter der F.H. GmbH geschlossenen Vertrags über die Übertragung der Geschäftsanteile an der GmbH auf die Klägerin.

Mit Mietvertrag vom 6. September 2010 vermietete die Klägerin das Rennbahngelände als Pferde-, Golf- und Freizeitsport?äche bis zum 31. August 2024 an die F.H. GmbH. In dem Mietvertrag verpflichtete sich die F.H. GmbH jährlich mindestens fünf Renntage mit jeweils sechs Pferderennen zu veranstalten. Da die F.H. GmbH nicht Mitglied im „Direktorium für Vollblutzucht und Rennen e.V.“ war und daher keine konzessionierten Pferderennen durchführen konnte, übertrug sie mit einem auf den 6. Dezember 2010 datierten Geschäftsbesorgungsvertrag diese Verpflichtung zur Durchführung von Pferderennen auf der Galopprennbahn auf den Beklagten, der hierfür eine jährliche Vergütung von 216.000 EUR erhalten sollte.

Am 5. August 2014 schlossen die Klägerin, der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der F.H. GmbH H. und die durch ihn vertretene F.H. GmbH einen notariell beurkundeten Kauf- und Abtretungsvertrag über die Geschäftsanteile des H. an der F.H. GmbH sowie eine Vereinbarung über die Aufhebung des Mietvertrags zwischen der Klägerin und der F.H. GmbH.

Unter dem 4. März 2015 erklärte H. namens der F.H. GmbH gegenüber dem Beklagten die Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrags zum 30. Juni 2015. Mit Schreiben vom 29. Juni 2015 forderte ein Mitarbeiter der Klägerin den Beklagten zur Herausgabe des Rennbahngeländes zum 30. September 2015, hilfsweise zum 31. Dezember 2015, auf und erklärte vorsorglich nochmals die Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrags zu diesen Zeitpunkten.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat den Beklagten u. a. dazu verurteilt, das von ihm in Besitz gehaltene Gelände der Galopprennbahn in Frankfurt am Main sowie die dort von ihm genutzten Geschäftsräume zu räumen und an die Stadt Frankfurt am Main als Klägerin herauszugeben. Die auf Feststellung der Unwirksamkeit des Mietaufhebungs- und Geschäftsanteilskaufvertrags gerichtete Widerklage des Beklagten hat das Landgericht abgewiesen.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe gerichtet hat. Auf die Widerklage hat es die Unwirksamkeit des Mietaufhebungsvertrags im Verhältnis zum Beklagten festgestellt. Im Übrigen hat es die Berufung des Beklagten verworfen. Die Revision hat das Oberlandesgericht zugelassen.

Nach Einlegung der Revision hat der Beklagte beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Oberlandesgerichts sowie aus dem Urteil des Landgerichts einstweilen einzustellen. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 20. September 2017 den Antrag des Beklagten zurückgewiesen (vgl. Pressemitteilung 144/2017).

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision des Beklagten, mit der er seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt hat, hatte keinen Erfolg. Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben, soweit darin die Unwirksamkeit des Mietaufhebungsvertrags im Verhältnis zum Beklagten festgestellt worden ist und die Widerklage insgesamt abgewiesen.

Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts ist der zwischen der Klägerin und der F.H. GmbH am 5. August 2014 abgeschlossene Mietaufhebungsvertrags nicht wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) gegenüber dem Beklagten unwirksam.

Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit können die Parteien eines Mietvertrags unabhängig von einer vereinbarten Mietzeit das Mietverhältnis jederzeit auch dann durch einen Aufhebungsvertrag vorzeitig beenden, wenn der Mieter einem Dritten die Mietsache zur Nutzung überlassen hat. Ein Mietaufhebungsvertrag kann allerdings sittenwidrig sein, wenn für den Vermieter und den Mieter kein vernünftiger Grund für die Beendigung des Mietverhältnisses besteht, der Zweck des Mietaufhebungsvertrags allein darin liegt, dass der Eigentümer wieder Alleinbesitz an dem Mietobjekt erlangt und durch die Aufhebung des Mietvertrags die Rechtsstellung des Dritten tatsächlich verschlechtert wird.

Im Streitfall bestanden sowohl für die Klägerin als auch für die F.H. GmbH vernünftige Gründe dafür, den Mietvertrag vorzeitig aufzuheben. Denn der Rennbahnbetrieb war in der Vergangenheit defizitär. Zudem stand der F.H. GmbH das Recht zu, den Geschäftsbesorgungsvertrag, wie geschehen, mit Wirkung zum 31. Dezember 2014 zu kündigen.

Im Hinblick darauf begründen auch die weiteren vom Oberlandesgericht herangezogenen Umstände nicht den Vorwurf eines verwerflichen Verhaltens der Klägerin und der F.H. GmbH zum Nachteil des Beklagten.

Der zwischen der F.H. GmbH und dem Beklagten abgeschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag vom 6. Dezember 2010 enthielt nur die Verpflichtung des Beklagten, für die F.H. GmbH jährlich mindestens fünf Renntage mit jeweils sechs Pferderennen (davon mindestens ein Listenrennen) gegen eine jährliche Vergütung von 216.000 € durchzuführen. Nutzungsrechte an dem Mietgegenstand waren dem Beklagten nur an einem Büroraum eingeräumt, den die F.H. GmbH dem Beklagten unentgeltlich für seine Vereinszwecke zur Verfügung stellen sollte. Zusätzlich sollte der Beklagte an den Renntagen kostenlos einen weiteren Raum für Mitglieder und Gäste nutzen können. Ein darüberhinausgehendes eigenes Recht des Beklagten, das Rennbahngelände für Vereinszwecke zu nutzen, sah der Geschäftsbesorgungsvertrag nicht vor. Dem Beklagten stand somit weder ein Anspruch gegen die F.H. GmbH auf Durchführung der in § 1 Nr. 1 des Geschäftsbesorgungsvertrags genannten Rennsportveranstaltungen noch auf eine weitergehende Nutzung des Rennbahngeländes zu. Gegenüber der Klägerin bestanden ebenfalls keine vertraglichen Beziehungen, die den Beklagten zu einer Nutzung des Rennbahngeländes berechtigt hätten.

Auch die von der Klägerin in dem Geschäftsanteilskauf- und Mietaufhebungsvertrag vom 5. August 2014 gegenüber dem Zeugen H. eingegangenen Zahlungsverpflichtungen rechtfertigen nicht die Annahme der Sittenwidrigkeit des Mietaufhebungsvertrags. Schließlich wird durch diese Zahlungen auch nicht der Anspruch des Beklagten auf Auszahlung eines von der F.H. GmbH erwirtschafteten Überschusses vereitelt. Nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag traf die F.H. GmbH zwar die Verpflichtung, jeglichen erwirtschafteten Überschuss, soweit dieser nicht für die Bildung von Rückstellungen erforderlich ist, als Sonderzahlung an den Beklagten zu überweisen. Um einen von der F.H. GmbH erwirtschafteten Überschuss im Sinne dieser Bestimmung handelt es sich jedoch bei diesen beiden Zahlungen nicht.

Da der Mietaufhebungsvertrag vom 5. August 2014 mangels Sittenwidrigkeit wirksam war und damit der zwischen der Klägerin und der F.H. GmbH abgeschlossene Mietvertrag zu diesem Zeitpunkt sein Ende fand, war der Beklagte unabhängig von der Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen des Geschäftsbesorgungsvertrags nach § 546 Abs. 2 BGB zur Räumung und Herausgabe des Rennbahngeländes verpflichtet.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt am Main – 2-12 O 437/15 – Urteil vom 16. Dezember 2016

OLG Frankfurt am Main – 2 U 174/16 – Urteil vom 27. Juli 2017

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) …

§ 546 Rückgabepflicht des Mieters

(1) …

(2) Hat der Mieter den Gebrauch der Mietsache einem Dritten überlassen, so kann der Vermieter die Sache nach Beendigung des Mietverhältnisses auch von dem Dritten zurückfordern.

Karlsruhe, den 18. April 2018