Zweitwohnungssteuer: Keine Übergangsfrist für rechtswidrige Satzung

Zweitwohnungssteuer: Keine Übergangsfrist für rechtswidrige Satzung

Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 88/2019

Wird eine kommunale Abgabensatzung (hier zur Zweitwohnungssteuer) im gerichtlichen Verfahren als rechtswidrig erkannt, darf sie auch nicht übergangsweise als wirksam behandelt werden. So entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts betreffen die niedersächsische Gemeinde Lindwedel (BVerwG 9 C 6.18 und 7.18) sowie die schleswig-holsteinischen Gemeinden Friedrichskoog (BVerwG 9 C 3.19) und Timmendorfer Strand (BVerwG 9 C 4.19). Diese Gemeinden erheben Zweitwohnungssteuern, jeweils bemessen anhand der mit dem Verbraucherindex hochgerechneten Jahresrohmiete nach den Wertverhältnissen im Jahr 1964. Dieser Maßstab lehnt sich an die bisherige Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer an.

Das Bundesverfassungsgericht hat den betreffenden Steuermaßstab für die Grundsteuer durch Urteil vom 10. April 2018 beanstandet, weil die Anknüpfung an die Wertverhältnisse von 1964 zu erheblichen Verzerrungen führt. Ob die Gründe dieses Urteils auch auf die Zweitwohnungssteuer übertragbar sind, war aber umstritten. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig bejahte dies und hob die hier umstrittenen Steuerbescheide auf. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschied dagegen zugunsten der Gemeinde. Beide Oberverwaltungsgerichte ließen im Hinblick auf die unterschiedlichen Auffassungen die Revision zu.

Während der laufenden Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht befand das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2019, dass die Feststellung der Jahresrohmiete für Zwecke der Zweitwohnungssteuer ebenfalls verfassungswidrig ist. Allerdings gewährte es den an den verfassungsgerichtlichen Verfahren beteiligten (bayerischen) Gemeinden eine Übergangsfrist zur weiteren Anwendbarkeit ihrer Satzungen bis zum 31. März 2020.

Vor diesem Hintergrund konzentrierte sich der Streit vor dem Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen darauf, ob die hier betroffenen Gemeinden die Fortgeltung ihrer fehlerhaften Steuersatzungen übergangsweise beanspruchen können. Dies ist nicht der Fall. Anders als das Bundesverfassungsgericht sind die Verwaltungsgerichte zu einer derartigen Fortgeltungsanordnung nicht befugt. Sie sind vielmehr verpflichtet, angefochtene Steuerbescheide aufzuheben, wenn diese keine Grundlage in einer rechtmäßigen Satzung finden und deshalb die Steuerschuldner in ihren Rechten verletzen.

Unzumutbare Auswirkungen auf den Gemeindehaushalt sind dadurch regelmäßig und auch hier nicht zu befürchten. Denn für die Vergangenheit sind nur die noch konkret angefochtenen Bescheide betroffen. Es besteht keine Verpflichtung, unanfechtbare Bescheide zu überprüfen und anzupassen. Gegebenenfalls sind die Kommunen im Übrigen berechtigt, eine ungültige Satzung rückwirkend durch eine neue Satzung zu ersetzen und auf dieser Grundlage Steuern auch für einen zurückliegenden Zeitraum neu zu erheben.

BVerwG 9 C 6.18 – Urteil vom 27. November 2019

Vorinstanzen:

OVG Lüneburg, 9 LB 123/17 – Urteil vom 20. Juni 2018 –

VG Lüneburg, 2 A 45/17 – Urteil vom 20. April 2017 –

BVerwG 9 C 7.18 – Urteil vom 27. November 2019

Vorinstanzen:

OVG Lüneburg, 9 LB 124/17 – Urteil vom 20. Juni 2018 –

VG Lüneburg, 2 A 180/16 – Urteil vom 20. April 2017 –

BVerwG 9 C 3.19 – Urteil vom 27. November 2019

Vorinstanzen:

OVG Schleswig, 2 LB 90/18 – Urteil vom 30. Januar 2019 –

VG Schleswig, 2 A 134/15 – Urteil vom 19. Juli 2016 –

BVerwG 9 C 4.19 – Urteil vom 27. November 2019

Vorinstanzen:

OVG Schleswig, 2 LB 92/18 – Urteil vom 30. Januar 2019 –

VG Schleswig, 2 A 96/14 – Urteil vom 05. April 2016 –